Liebe Unbekannte (German Edition)
schließen? Wonach suchten die wohl hier? Ich werde es dir sagen. Nach der entschiedensten Meinung von Fachkundigen sieht es ganz danach aus, als habe man hier unter uns, im Flussbett der Donau, nach den
Elysischen Gefilden
gesucht.“
Ich nickte, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt, obgleich ich etwas überrascht war, da ich eine vage Vorstellung davon hatte, was die Elysischen Gefilde waren. Ich kannte die vereinfachte griechische Mythologie auswendig. Onkel Lajos war auch etwas misstrauisch. Er dachte, ich hätte nur so, aus Höflichkeit genickt.
In der Wohnung kam es zum Eklat. Wir vernahmen lautstarken Streit, die erhobenen Stimmen von Mutter und Tante Judit. Vater drückte seine Zigarette aus, nun begann, was er befürchtet hatte. Onkel Lajos beendete noch rasch seinen Vortrag.
„Alles in allem ging es hier, so unwahrscheinlich es im ersten Augenblick auch erscheinen mag, um nichts anderes als das ewige Leben, und das ist der Punkt, an dem wir beim nächsten Mal fortfahren werden, wenn ihr uns, euren Ekel überwindend, die Ehre erweist …“
In diesem Moment erschien Mutter blass in der Tür, und die
Große Geschichte
wurde bis zu Tante Judits Geburtstag vorerst unterbrochen.
„István, es tut mir leid, aber die Mädchen und ich gehen jetzt nach Hause, ich hoffe, du hast nichts dagegen. Auf Wiedersehen, Lajos.“
Mutter drehte sich um und lief in die Wohnung. Vater sprang auf und eilte ihr hinterher. Onkel Lajos und ich folgten seinem Beispiel. Die Eingangstür der Wohnung stand offen. Mutter und Erika waren bereits weg. Gerda stand bleich in der Tür. Tante Judits Stimme war aus dem Treppenhaus zu hören.
„Meine liebste Irén, nun dreh doch nicht gleich durch.“
„Wo sind sie?“, fuhr Vater Gerda an. Sie deutete auf die Tür. Zuerst. Dann auf Tante Judit, die die Treppe heraufstürmte.
„Also ich verstehe Irén einfach nicht. Stell dir vor, Lajos, Irén meint, wir wollten Gerda als Dienstmädchen. Also das geht über mein bisschen Verstand.“
„Als was wollen wir Gerda?“
„Als Dienstmädchen, Onkel Lajos, als Dienstmädchen. Was sagst du dazu? So etwas Dummes hat sich unsere Irén in den Kopf gesetzt. Und dann ist sie auf mich losgegangen. Dabei habe ich doch nur gesagt, die kleine Gerda solle zu uns kommen und so lange hier wohnen, bis in Nyék diese furchtbaren Zustände vorüber seien, daraufhin fuhr mich Irén an wie eine Furie …“
„Verzeih mir, Jutka“, unterbrach sie Vater, „aber in Nyék herrschen keineswegs furchtbare Zustände. Ich habe keine Ahnung, wer euch das gesagt hat.“
„Du, mein Brüderchen“, sagte Onkel Lajos grimmig. „Du!“
„Ich habe so etwas ganz bestimmt nicht behauptet.“
„Du hast gesagt, ihr hättet kein Dach über dem Kopf.“
„Und dass die ganze Familie unter einer Plane schläft“, ergänzte Tante Judit. „Ja, ja, István Krizsán, du hast mich angerufen und erzählt, dass in Nyék ein Orkan getobt hätte, woraufhin dein Bruder dir sofort angeboten hat, für die Zeit der Renovierung bei uns zu wohnen.“ Dann wandte sie sich an mich. „Ja, Tomilein, dein Onkel Lajos hat es sofort angeboten. Noch im gleichen Augenblick. Dein Onkel Lajos saß gerade in der Badewanne, als dein Vater angerufen hat, aber er brüllte wie ein Löwe aus dem Bad, dass ihr alle zu uns wohnen kommen sollt. Die ganze Bande sollte von Nyék zu uns ziehen. Aber dein Vater wollte es nicht annehmen, weil …“
„Lass meinen Bruder in Frieden“, wies Onkel Lajos Tante Judit zurecht, um ihn dann selbst anzufahren. „Es wurde euch sofort angeboten, hier zu überwintern. Woraufhin du den Hörer aufgelegt hast.“
„Kein Wunder“, entgegnete Vater. „Ihr denkt doch wohl nicht allen Ernstes, ich komme mit der ganzen Familie hier an. Nach alledem …“
„Nach alledem? Wonach, frage ich dich. Fangen wir nicht schon wieder damit an.“
Vater holte tief Luft. Dann fuhr er etwas leiser fort.
„Erstens: Von einem Orkan war nie die Rede. Das ist wieder eine von Jutkas Übertreibungen, die du, wie immer, ohne zu hinterfragen übernommen hast …“
„Wohnt ihr unter eine Plane oder nicht?“
„Lasst das mal unsere Sorge sein …“
„Entschuldige bitte, mein lieber Bruder, aber du hast angerufen, um das zu erzählen. Jutka erinnert sich daran.“
„Ich habe angerufen, um euch zum Hochzeitstag zu gratulieren, und Jutka hat mich gefragt, wie der Winter war.“
„Woraufhin du erzählt hast, dass in Nyék ein Orkan gewütet hat“, sagte
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