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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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in Blaubarts Lieblingsrestaurant gegangen. Den ganzen Abend hatte er an Meis wundervollen Lippen gehangen, ihrem merkwürdig intonierten Englisch lauschend. Sie war nicht nur schön, sie war auch noch geistreich und obendrein humorvoll. Sie erzählte von sich. Er lauschte, obwohl er das Meiste schon aus ihren Chatverläufen kannte.
    Als Spezialistin für Datenverarbeitung und Vernetzungstechnologien hatte sie in Manila in einem Versuchslabor gearbeitet und Testreihen geleitet. Doch das religiöse beziehungsweise politische Klima auf den Philippinen erlaubten es ihr nicht länger, arbeiten zu gehen. Sie hatten an diesem Abend geredet, geredet und noch mehr geredet. Bis das Restaurant schloss. Gemeinsam hatten sie weitergesponnen, was ihre Forschung für die Zukunft der IT-Branche bedeuten könnte. Wie sagenhaft unbedeutend kam ihm seine Kunst dagegen vor. Was tat er schon besonderes, als mit seinen Skulpturen kunstbeflissenen Oligarchen – ohne Sinn für Geschmack – das Geld aus der Tasche zu ziehen? Am Ende ihres Rendezvous – es war mitten in der Nacht – hatten sie sich auf die Terrasse seiner Dachwohnung gesetzt, Champagner getrunken und die schwach funkelnden Sterne betrachtet. Obwohl sein Verlangen nach Sex, nach ›normalen Sex‹ in diesem Moment ihn fast zu überkommen drohte, hatte er keine Avancen gemacht. Er wollte ihr im alkoholisierten Zustand nicht zu nahe kommen. Wie ein Gentleman brachte er sie zu Bett, dann verzog er sich in sein eigenes Zimmer. In jener Nacht konnte er nicht schlafen, sein eisblau-behaarter Penis drängte und spannte. Mit wichsen verschaffte er sich Abhilfe. Der Schlaf kam nicht. Am nächsten Morgen zeigte er Mei, die leicht verkatert war, völlig übernächtigt Berlin. Beide hatten sie jedoch nur Augen für einander. Den ganzen Tag über schlenderten sie durch Deutschlands Hauptstadt und unterhielten sich über tiefgründige Themen. Seit ihrer Ankunft tobte der Drang ihr den Schlüssel zu zeigen, endlich Klarheit zu schaffen. Doch bisher hatte er Widerstand leisten können. Das warme, wattige Gefühl in seiner Brust ließ das Brüllen der Kammer in seinen Ohren zumindest kurzzeitig verstummen. Am zweiten Abend hatte Mei über einen kratzigen Hals geklagt. Jetzt saß er hier, hielt ihre zarte Hand, betupfte ihre glatte braune Stirn und sah ihr beim Teetrinken zu. Sie setzte die Tasse ab.
    »I need some rest.«
    »Of course.«
    Schnell glitt er aus dem überheizten Zimmer heraus. Er schritt gemessen und doch kraftvoll zur Blutkammer, riss die Tür auf, kniete auf den feuchten Boden und betete, betete, betete. Sein Schwanz war steinhart. Er betete um Zeit, dass er sie prüfen würde, wenn die Zeit dafür gekommen wäre. Sie sollte noch gesunden, dann würde er ihr den Schlüssel reichen. Sein Schwanz zuckte bei den Gedanken, die ihm durch den Kopf jagten. Die Gedanken daran, was er mit ihr machen würde, wenn sie die Kammer öffnete. Die blutigen Leiber an den Wänden wanden sich an ihren Haken, reckten ihm ihre Halsstümpfe voller Vorwürfe entgegen. Die abgetrennten Köpfe seiner geschlachteten Geliebten rissen ihre mit Maden gefüllten Augenhöhlen auf und kreischten aus den Felsnischen, in denen Blaubart sie seit Jahrhunderten lagerte, voller Hass, dass er Mei prüfen müsse. Jetzt. Sofort! Warum sollte sie warten, wenn die Anderen auch nicht warten dürften? Noch länger und sie würden ihn zwingen ihr den Schlüssel zu geben! Er verließ die Kammer, doch ihr Kreischen folgte ihm hinaus. Nur für ihn hörbar, für ihn allein. Es musste sein. Er musste ihr den Schlüssel geben. Wollte er nicht, dass sich die Kammer öffnete und ihre Bewohnerinnen raus schickte, um Mei zu holen, musste er ihr selbst den Schlüssel geben. Dieser Fall war genau einmal eingetreten. Einmal. Vor sehr langer Zeit. Und er wollte es kein zweites Mal erleben.

    »Darling, won’t you come over? I’ve got an itch on my back, that I just can’t scratch.«
    Blaubarts Schultermuskeln verspannten sich beim Klang dieser Worte. Schritte. Sie kam näher. Er konnte ihren Atem in seinem Nacken spüren. Leicht umschlangen ihn ihre Arme. Wie eine Schlange glitt er aus ihrer Umarmung heraus.
    »Sorry, Babe. I’ve got some work to do. Give me some space.«
    Er vermied es ihr ins Gesicht zu schauen, doch wusste er bereits, wie wütend sie dreinblicken musste.
    »I see.«
    Sie verließ den Raum ohne ein weiteres Wort zu sagen. Blaubart atmete aus. Zwei Monate nach Meis Ankunft wähnte er sich in einer Art

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