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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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abwechselnd in Berlin, London oder New York residierte. Jetzt gerade hauste er in Berlin, wo seine charakterlosen Skulpturen wie Götzenbilder verehrt wurden.
    Und egal in welchem Zeitalter er sich wieder fand, in seiner jeweiligen Behausung drohte immer wieder die verfluchte Tür zur Blutkammer, und der Schlüssel steckte bereits im Schloss. Eine schwarze, mit Eisen beschlagene Tür. Rechteckig, finster, drohend. Im Keller, auf dem Dachboden, unter den Stiegen, neben dem Arbeitszimmer, egal wo er sich befand, die schändliche Kammer verfolgte ihn durch die Jahrhunderte. Nie war er ihr entkommen oder dem Schlüssel. Und erst recht nicht dem Zeichen seines Fluches. Das war sein blauer Bart, der in jedem seiner Leben üppig wucherte. Blaue Körperbehaarung überall. In diesem Zeitalter war er versucht gewesen, sie sich mit Brazilian Waxing entfernen zu lassen oder eine permanente Laserbehandlung in Betracht zu ziehen. Doch er ahnte, dass der Fluch ihn so leicht nicht davon kommen lassen würde. Die Konditionen waren immer dieselben. Kein Mann, kein Weib, außer Blaubart selbst, durfte die Kammer betreten und danach leben. An jede Frau, die er liebte, musste er den Schlüssel aushändigen. Den Schlüssel für die Kammer, die die Opfer von Jahrhunderten beherbergte. Er musste sie darum bitten, niemals die Kammer zu betreten. Und wenn er heraus fand, dass sie seiner Bitte nicht Folge geleistet hatten, versetzte ihn das in einen Blutrausch. Nach einem schrecklichen Martyrium endeten sie dann in der Kammer, so wie die Anderen.
    Dann ging es wieder von vorne los. Und das bis in alle Ewigkeit. Warum das alles so war, wusste er nicht. Was er getan hatte, dass man ihm dieses Schicksal zumutete, war ihm ein Rätsel. Es war einfach so. Er wusste nur eines: Die einzige Möglichkeit den Bann zu brechen, war es, das die auserwählte Liebste zeitlebens der Neugierde, in die Kammer zu gehen, widerstehen konnte. Nur dann konnte er Frieden finden. Ritter Blaubart hasste dieses Leben, war ihm doch niemals die aufrichtige, längerfristige Liebe zu einer Frau vergönnt gewesen. Noch nie hatte er mit einer lebenden Frau geschlafen. Seine Abläufe duldeten keinen Sex. Nicht mal Sado-Maso. Einfach in Einsamkeit zu leben und niemanden in sein fluchbeladenes Leben einzuladen, hatte er zwar versucht, aber vergebens. Es fand sich immer eine, die in ihm den Wunsch erweckte, es noch mal zu probieren. Vielleicht war die die Richtige! Nach jedem neuen Kadaver, der dann stumm und tropfend in der Kammer hing, sagte er sich, dass es beim nächsten Mal gelingen würde. Die Abscheu vor sich selbst ließ nicht lange auf sich warten, hatte er sich über das Internet doch schon eine neue Braut bestellt. Mei hieß sie. Sie kam von den Philippinen. Blaubart hatte sie in einem einschlägigen Internetforum gefunden, Nächte lang mit ihr gechattet, sie dann in seine Residenz nach Berlin eingeladen. Flugticket und Anreise hatte er bereits bezahlt. Einerseits freute er sich auf diese neue Frau, die neue Chance, die sich ihm bot. Andererseits hoffte er, dass er es mit einer Schwindlerin zu tun hatte, die einfach nur das Geld nahm und dem Fluch so nicht anheim fallen würde. Denn der Schlüssel im Schloss der Kammer wartete bereits, ebenso wie Ritter Blaubart am Berliner Flughafen.
    Er trug einen modischen Leinenanzug zu teuren Lederschuhen. In seiner rechten Hand hielt er einen Strauß mit Lilien, in der linken ein Pappschild, auf dem in fein säuberlicher Schrift Meis voller Name geschrieben stand. Sein Haupthaar hatte er entsprechend der neusten Mode in eine aufwendige Tolle getürmt. Passanten glotzten ihn an, manche erkannten ihn. Er blieb stoisch. Die Sonne glitzerte, das mit Menschen überfüllte Terminal dröhnte und er war wie immer nervös. Wie würde sie sein, die neue Auserwählte? Würde sie seinen blauen Bart als absonderlich oder gar abstoßend empfinden? Für Frauen früherer Zeitalter war die Farbe seines Barts entweder ein Grund zur Belustigung, zum Staunen oder für schamhaftes Erröten gewesen. Manche hatten angesichts dieser absurden Farbe Verdacht geschöpft. In diesem Zeitalter bot sein Bart keinerlei Grund zu Verdächtigungen mehr. Im Gegenteil: Kunstkenner sahen in dem Bart eine Referenz zu der ihnen bekannten Sagengestalt und hielten dies für einen gar köstlichen Scherz, den nur sie mit ihrem überlegenen Kunstverstand verstehen konnten. Blaubart, ein Künstler und Frauenmörder. Fantastisch! Besonders seine Langzeitkundin Lady Gaga hatte

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