Liebe und andere Schmerzen
Meinungsverschiedenheiten verlassen!
Was würde er tun, wenn sie ihn verlassen würde? Und wie lange konnte er diese Gedanken noch ertragen, ohne dabei verrückt zu werden? Wieder strich er sich über die Augenbraue. Blaubart begann zu weinen.
Vier Monate später zog Ritter Blaubart sein schärfstes Messer aus dem Messerblock seiner Küche. Er zitterte. Es war entschieden. Die Kammer war von Mei betreten worden! Doch wie seltsam und verdreht alles war. Sie hatte bei seinem letzten Rundgang offen gestanden. Mit Weh und Triumph im Herzen war er ihr gegenüber getreten und hatte nach dem Schlüssel verlangt. Ohne von ihrem Laptop aufzusehen, hatte sie in ihre Hosentasche gegriffen und ihm gereicht. Der Schlüssel war blank. Kein Blut. Nichts. Unberührt. Fieberhaft hatte ihn Blaubart hin und her gewendet. Es konnte nicht sein! Außer ihr war niemand in der Wohnung gewesen, der Reinemachefrau gab er den Schlüssel nie. Mit zitternder Stimme hatte er sie gefragt, ob sie entgegen seiner Anweisung in die Kammer gegangen war?
Ja, sie wäre in seiner blöden Abstellkammer gewesen. Ihr wäre ein Glas runter gefallen, sie hätte nach Kehrblech und Besen gesucht. Aber auch in »seiner« Kammer sei nichts gewesen, außer leeren Wänden mit leeren Eisenhaken. Warum waren in dieser Wohnung die wesentlichen Dinge im Leben eigentlich nie vorhanden? Was er mit diesen geschmacklosen Haken eigentlich wollte? Und was eigentlich »entgegen seiner Anweisung« heißen sollte? Sie war nicht seine Dienstmagd! In zwei Monaten würde sie in Berkeley, San Francisco ihre Stelle als Projekt-Koordinatorin aufnehmen. Und er hatte noch keinerlei Vorbereitungen für ihren Umzug getroffen. Er könnte ja auch mal arbeiten, anstatt sich nur verklagen und von seinen Anwälten ausnehmen zu lassen! Sie hielt das nicht mehr aus. Dieses ständige selbstmitleidige Genörgel. Anstatt sie wegen einer leer stehenden Kammer zu nerven, könnte er ihr mal zur Abwechslung an die Titten gehen! Warum er sie nicht ansehe? Wo war der Mann, in den sie sich verliebt hatte? Was er eigentlich in dieser Ätzkammer jeden Tag machte? Gab es eine Andere? Ob es eine andere Frau gab, was war an dieser Frage nicht zu verstehen? Nie dachte er an ihre Gefühle! Wie sollte sie so mit ihm weiterleben? Er solle ihr aus den Augen gehen, sie könne seinen Anblick nicht ertragen.
Das alles und noch viel mehr wurde Blaubart angesichts des blanken Schlüssels im lispelnden Englisch innerhalb von zwei Minuten an den Kopf geworfen. Mit zitternden Knien, zusammengepressten Lippen und Tränen in den Augen hatte er sich still und heimlich in die Küche verzogen. Nur halbherzig hatte er das Messer aus dem Block gezogen. Hilflos stand er jetzt da, mit der Klinge in der Hand. Einsam, verlassen, wie ein Waisenmädchen im tiefen dunklen Wald. Sein Blutrausch, seine Rasereien, seine Mordlust, sie blieb aus. Jetzt, auch noch das. Nicht nur das seine Manneskraft sich von ihm verabschiedet hatte, auch sein von übernatürlichen Kräften angeleiteter Blutdurst war völlig zum erliegen gekommen. Die beständig vor sich hinblubbernde Quelle seiner mörderischen Potenz, sie war versiegt.
Ausgetrocknet angesichts dieser völlig unerklärbaren Umstände und der Vorwürfe, die ihm Mei an den Kopf geworfen hatte. Normalerweise müsste der Anblick des Schlüssels ihn in eine dämonische Ekstase versetzen. Normalerweise müsste er sie jetzt an den Haaren weg von ihrem Laptop zerren, hin zu der Kammer, wo sie die Ewigkeit als Kadaver an einem Haken verbringen würde. Normalerweise musste allein der Gedanke sie zu meucheln ihm Lust, Euphorie und Lebensfreude bescheren. Dem war aber nicht so. Der Schlüssel war blank und er fühlte nichts außer Beschämung angesichts der Demütigung, die er erlitten hatte. Ritter Blaubart brach mit dem Messer in der Hand in Tränen aus. War das der Preis für die Freiheit? Sie hatte die Kammer gesehen und sie war ihr »leer« erschienen. War das die lang ersehnte Erlösung? Hatte sie den Fluch von ihm genommen und ihn stattdessen mit einem Neuen belegt, mit dem Fluch der Mittelmäßigkeit?
Lady Gagas Anwälte reichten in diesem Moment Klagen gegen ihn ein. Und nicht nur die. Seine Anwälte baten ihn – im übertragenden Sinne – auf Knien seine Aufträge wieder wahrzunehmen, da sie sonst nichts mehr für ihn tun konnten. Aber er konnte nicht, zu sehr hatte Mei ihn eingespannt in ihre Pläne nach San Francisco zu gehen, in ihre Pläne dort zu arbeiten, während er … Ja, was
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