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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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kontraproduktiv gewesen – versuchte ich mich an frühere schöne oder zumindest lustige Momente zu erinnern, die mir hie und da untergekommen waren:
    In der ersten Sauna, benannt nach einem griechischen Gott, war ich kaum angekommen und hatte den Bereich mit den Kabinen erreicht, da stellte sich ein junger, gut gebauter Mann vor mich hin und öffnete einladend sein Handtuch.
    »Willst du?«, fragte er mit leicht arabischem Akzent und lächelte verschmitzt.
    Das fängt ja gut an, dachte ich und sagte, tastend meine Hand nach ihm ausstreckend:
    »Ja.«
    »Macht fünfzig Euro«, sagte er. Ich zog meine Hand zurück, als hätte ich mich verbrannt.
    »Was?«
    »Ich koste fünfzig Euro«, wiederholte er geduldig.
    Ich war so jung und naiv und dumm, ich hatte den Stricher nicht als Stricher erkannt, und dass es meine erste Begegnung mit einem solchen war, mochte ich vor mir selber nicht gelten lassen. Nur wie kam ich jetzt wieder aus der Nummer heraus?
    »Das kann ich mir nicht leisten«, stammelte ich.»Ich bin auf Hartz4«.
    »Dann eben vierzig Euro«, rief er mir hinterher, doch ich flüchtete bereits in Richtung des Dunkels der Dampfsauna. Dass die antiken griechischen Götter gerne mal triebgesteuert handelten, hatte ich ja gewusst, neu war mir, dass in ihren modernen Tempeln Adonis käuflich war.
    Die zweite Sauna war so abgewrackt gewesen, dass ich nach nur einer Stunde quasi rückwärts wieder rausgegangen war und noch Wochen danach fürchtete, mir Fußpilz oder Schlimmeres geholt zu haben. Vorher jedoch hatte ich mir in dem der Sauna ihren englischsprachigen Namen verleihenden Dampfraum einen blasen lassen – ganz umsonst wollte ich ja nun auch nicht hingegangen sein. Als sie letztens geschlossen wurde, weinte ich ihr keine Träne nach.
    Die dritte Sauna lag im Prenzlauer Berg, bezieht sich mit ihrem Namen auf die künstliche Aufzucht von Pflanzen – und so sehen dann auch die vorwiegend jüngeren Männer aus, die dort hingehen: Perfekte Körper, oft oben und unten und auch noch in der Mitte vollkommen glatt rasiert und mit gut bezahlten Jobs in modernen Branchen. Und trotzdem war es genau dort, wo ich meinen bisher einzigen festen Freund kennengelernt habe. Nikolas und ich waren fast zwei Jahre zusammen, trotz aller Gegensätze, und es war wie ein Hauptgewinn für mich. Wir sind Freunde heute, und ab und an gehen wir sogar mal zusammen in die Sauna.
    Die vierte Sauna, zwischen Brandenburger Tor und Holocaust-Mahnmal gelegen – namentlich hat sie sich allerdings für den Prachtbau entschieden – wird hauptsächlich von Bären und älteren Semestern besucht. Das ist denn auch einer der beiden Gründe, warum ich diese so häufig aufsuche. Unter all den älteren Herren bin ich zumeist der jüngste und darum begehrteste, außerdem besitzen die Älteren eine Erfahrung in Sachen körperlicher Liebe, von der ich stets mit der höchsten Befriedigung profitiert habe. Den besten Sex meines Lebens hatte ich hier. Hinzu kommt noch, dass die einmal die Woche Billigtag haben, eben zufällig auch an diesem Abend, und so schloss sich der Kreis also genau hier. Einen besseren Ort für meine zwar hochgebildete, aber gefühls- und geldtechnisch gerade minderbemittelte Prekariats-Existenz gab es einfach nicht. Wenn ich irgendwo zurück ins seelische Gleichgewicht gepimpert werden konnte, dann hier.
    Natürlich, die anwesenden Herren waren manchmal schon zu alt, selbst für meinen nachsichtigen Geschmack, aber im Notfall nahm ich einfach meine Brille ab, und dann sahen alle gleich um mindestens zehn Jahre jünger aus.
    Schon als ich die Sauna betrat und mich im Umkleideraum umsah, schwante mir, einen Fehler gemacht zu haben und gleich den nächsten Reinfall zu erleben. Meine Nervenenden sehnten sich so sehr nach Druckabbau, allein der hätte mich zusätzlich zum Eintritt noch einiges an Überwindung gekostet, wozu ich mich kaum mehr in der Lage fühlte.
    Das Fleisch in der Auslage hatte selbst für meinen brillenlosen Geschmack durch die Bank weg sein Haltbarkeitsdatum überschritten, welk und schlaff hing es herab oder blähte sich zu übermächtigen Bäuchen auf. Wieder und wieder cruiste ich durch den Nass- und Trockenbereich, hielt Ausschau nach dem einen geeigneten Kandidaten, der eben nicht aussah wie ein Weihnachtsmann im Adamskostüm und der mir die ersehnte Erlösung bescheren würde. Interessenten hätte es ja genug gegeben, nur wollte ich keinen von ihnen, keiner genügte heute meinen Ansprüchen. Also zog ich mich in

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