Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
Vom Netzwerk:
hilfst du mir in den Rollstuhl, begleitest mich nach draußen, hilfst mir beim Einsteigen und steigst auch ein. Ich mag es nicht, wenn du mir dabei hilfst, doch ich hatte es dir nie gesagt. Auf dem Weg zu dir stecke ich dir noch heimlich einen grünen Schein zu, wie es üblich zwischen uns ist.
    Bei dir angekommen verabschiedest du dich von mir mit einem Kuss auf die Lippen und steigst aus. Du drehst dich noch einmal nach mir um. Der Taxifahrer hat es bemerkt, fährt los und sagt zu mir, was für eine hübsche Frau du doch seist. Ein wenig stolz antworte ich: »Wie wahr, wie wahr!«

Thomas Pregel
    DAMPFBADLOTTERIE
    I ch gehe ganz gerne mal in die Sauna, ich mag die Hitze, den Dampf und die feuchte Haut, die, wenn überhaupt, nur von einem Handtuch um die Hüften verhüllt wird. Kontakt ist einfach hier, man muss nicht einmal miteinander reden, wenn man nicht will. Aber man bekommt auch nicht immer, was man will oder sich vorgestellt hat, das weiß man vorher eben nicht und genau das macht einen Teil der Spannung aus. Und dann muss man entscheiden, wie weit man wirklich gehen will, ob man weiter auf die süße Praline wartet oder lieber enthaltsam bleibt und nur sauniert oder sich doch mit einer matschigen Gewürzgurke an Schrumpfkartoffelsalat zufrieden gibt. Es hilft aber ungemein, die Sache mit Humor anzugehen, dann kommt man eigentlich immer auf seine Kosten. Jedenfalls hat mich das schon das eine oder andere Mal vor einer zu großen Enttäuschung bewahrt.
    An diesem Abend jedoch war ich alles andere als guter Stimmung, als ich mich in die Sauna aufmachte. Am Nachmittag hatte ich einen Termin im Jobcenter bei meinem persönlichen Sachbearbeiter gehabt, der mit mir über meine Einkommensentwicklung aus meiner selbstständigen Tätigkeit hatte sprechen wollen. Das war noch nie lustig gewesen und wurde stattdessen mit jedem Mal bedrückender. Seit bald drei Jahren nun bezog ich Hartz4 als Aufstocker neben meiner Tätigkeit als Schauspieler, die sich leider wirklich nicht so recht entwickeln wollte und sich entweder in Komparsen-Rollen, kleinen Auftritten in Werbefilmchen oder selbstausbeuterischen, da unbezahlten, Projekten in der freien Theaterszene erschöpfte. Es war so schwer, Fuß zu fassen in dieser Welt. Das kapierte mein Sachbearbeiter nur leider nicht und so setzte er mir die Pistole auf die Brust, drohte damit, mir die Leistungen zu kürzen, sollte ich nicht bald einen Job finden und sei es eben in meinem erlernten Beruf als kaufmännischer Angestellter.
    Ich kreuchte nicht gern so im Bodensatz der Erwerbsgesellschaft herum, aber ins Büro zurückkehren, um dort jeden Tag von neun bis fünf zu schuften, das ging auf gar keinen Fall. Aber die Drohung hatte mich verunsichert, mir war regelrecht das Herz in die Hose gerutscht. Zuerst reagierte ich mit so etwas wie Angst, dann schob ich Frust und schließlich überkam mich Wut. Wut auf das verdammte System, darauf, davon abhängig zu sein, dass die so etwas von mir verlangen konnten, dabei stand mir eine finanzielle Grundsicherung doch von Gesetzes wegen zu. Ich spulte mich innerlich immer mehr auf und zugleich fühlte ich mich mieser und mieser, wie ein Jammerlappen – und kam schließlich zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, in der Sauna ein wenig Zerstreuung zu suchen.
    Im Hinterkopf war ich mir der Tatsache bewusst, dass das keine wirklich gute Idee war, meine Stimmung war zu labil und mein Neuköllner Konto mal wieder leer. Ich hätte einfach einen Freund anrufen und mir mit ihm den Frust von der Seele quatschen sollen. Aber ich wollte Haut, ich wollte Fleisch, ich wollte geliebt werden.
    Es hätte ja auch gutgehen können, ich hatte schon das eine oder andere schöne Erlebnis in der Sauna, auch an schlechten Tagen. Auswahl gibt es in dieser Stadt schließlich genug, gleich vier davon stehen – beziehungsweise standen – dem schwulen Mann zur Auswahl. Ich kenne jede einzelne davon, wenn ich in die Szene gehe, um Sex zu haben, dann grundsätzlich in die Sauna.
    Noch in der S-Bahn Richtung Mitte war mir vollkommen säuerlich, ja ekelhaft, zumute, das feucht-kalte Wetter draußen und der Schrecken über das Jobcenter innendrin ließen mir die Knochen klappern. Um mich auf den bevorstehenden Abend einzustimmen, mich aufzuwärmen und meine Laune ein wenig zu heben – sonst wäre ich in der Sauna mit einer regelrechten Griesgram-Hackfresse aufgeschlagen, das hätte an die anderen Kerle das falsche Signal ausgesendet und wäre meinem Vorhaben

Weitere Kostenlose Bücher