Liebe und andere Schmerzen
Lustschauer den Rücken herunter und ließ diesmal mich ordentlich aufstöhnen.
Das hätte ich wohl nicht tun sollen. Plötzlich öffnete er die Augen, sein kalter, tief enttäuschter Blick traf mich. Er schenkte mir ein freudloses Lächeln, zuckte mit den Achseln und ließ mich einfach stehen. Ich verstand die Welt nicht mehr und schwankte zwischen der gefühligen Vermutung, soeben Zeuge eines gescheiterten Versuches geworden zu sein, über eine gerade erst zerbrochene Liebe hinwegzukommen, und den ekligen Selbstzweifeln, nun einmal nicht zu einem so schönen Mann zu passen und überhaupt an einem Tag wie diesem, der nun einmal von vornherein im Arsch gewesen war, kein Glück verdient zu haben. Ich hätte einfach zu Hause bleiben und die Sache mit mir allein ausmachen sollen. Morgen hätte die Sonne wieder geschienen und alles nicht mehr so düster ausgesehen.
Ich blieb noch ein paar Minuten im Dampfbad, setzte mich wieder hin, total in mich zusammengefallen und ging dann, nachdem ich noch den Annäherungsversuch eines der beiden alten Männer etwas zu unwirsch abgewehrt hatte, unter die Eiswasserdusche. Mein entflohener Galan saß derweil wieder im Whirlpool, ich setzte mich vor den Fernseher. Unsere Wege kreuzten sich noch zwei-, dreimal, doch würdigte er mich keines Blickes mehr, während ich jederzeit zu einem Akt der Verzeihung bereit gewesen wäre. Schließlich verlor ich ihn aus den Augen, und ein warmer Mund in der dunkelsten Ecke der Dampfsauna spendete wenigstens meinem Schwanz etwas Trost. Richtig genießen jedoch konnte ich es nicht, und so revanchierte ich mich auch nicht, wie ich es sonst getan hätte.
Bald darauf wollte ich nach Hause gehen, der Abend war gelaufen. An sich wäre das in Ordnung gewesen, mit der Zeit hatte ich gelernt, über einer solchen ›Niederlage‹ zu stehen, denn sie war ja auch wirklich unbedeutend. Ausgerechnet heute aber hatte ich ein gezinktes Los gezogen, ich fühlte mich regelrecht betrogen und die Wut und Enttäuschung, die daraus resultierten, verdarben mir endgültig den Spaß.
Im Umkleideraum traf ich dann aber ganz unvermittelt ein weiteres Mal auf die herbe Schönheit. Er zog sich gerade Hemd, Krawatte und Anzug an, trug eine Brille – neben dem Schamhaar der zweite unerwartete Punkt, bei einem wie ihm hätte ich hundertprozentig mit Kontaktlinsen gerechnet – und grüßte mich tatsächlich mit einem wiedererkennenden Nicken. Erneut wertete ich das als Aufforderung und tat etwas, was wir bisher noch gar nicht miteinander getan hatten: Ich sprach mit ihm.
»Du bist wohl gleich von der Arbeit hergekommen, was?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete er und lächelte mich so an, dass ich für einen kurzen Moment sogar Hoffnung schöpfte, er würde sich gleich bei mir für das Vorgefallene entschuldigen und mir seine Telefonnummer geben. Natürlich irrte ich mich, sexuell passte ich ihm auch weiterhin nicht ins Konzept. Was er jetzt suchte, war ein Sparringspartner zum Druckablassen und allein dazu kam ich ihm gerade recht. Er fuhr nämlich fort: »Das ist schon schlimm hier, oder? Wir beide sind die einzigen hier heute Abend, die den Altersunterschied wenigstens ansatzweise unter fünfzig gesenkt haben. Das ist ja das reinste Altersheim hier!«
Ich nickte zögerlich. »Darf ich fragen, wie alt du bist?«
»Sechsundvierzig.«
Beinahe hätte ich ihm ins Gesicht gegrinst. »Hast dich aber gut gehalten«, lobte ich.
»Im Gegensatz zu allen anderen hier. Von dir einmal abgesehen.«
»Danke.«
Aber sein Blick war bei diesem Kompliment einzig und allein auf seine Hose gerichtet, die er sich gerade über die Beine streifte.
»Wie kann man sich nur so gehen lassen?«, schimpfte er gleich darauf los. »Wie kann man nur so fett werden! Man muss doch ein bisschen auf sich achten. Von nichts kommt nichts. Wenn man einfach immer nur faul rumsitzt und alles in sich reinstopft und den Dingen ungehemmt ihren Lauf lässt, dann soll man sich nicht wundern, wenn man nur alt und fett wird und von keinem mehr attraktiv gefunden wird. Ich tu das doch auch nicht. Mein Gott, das ist doch eine Frage der Selbstachtung. Der ganze Abend eine reine Verschwendung von Zeit und Geld.«
Darauf hatte ich nichts zu antworten, es wurde auch gar nicht von mir erwartet. Also setzte ich mich, um mir die Zehenzwischenräume gründlich abzutrocknen, und gab nach jedem abgetrockneten Stück einen zufrieden-anerkennenden Laut von mir: Öl für sein Feuer.
»Ach, ich weiß ja auch nicht, wie das
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