Liebe und Gymnastik - Roman
gewollt hätte …!»
«Oh! Das ist nicht wahr!», rief Don Celzani empört.
Der andere wollte schon mit einer groben Beleidigung antworten, aber beim Gedanken an den geminderten Mietzins kam sie ihm nicht über die Lippen. Er begnügte sich damit, zu sagen: «Ich wünsche Ihnen, dass Sie das nicht auf eigene Kosten herausfinden müssen.»
Der Sekretär erwiderte rasch noch etwas, unfreundlich gingen sie auseinander, und von da an grüßten sie sich nur noch sehr kühl.
Doch auch dieser Streit fachte das Feuer seiner Liebe nur weiter an. Es waren sich also alle einig, sie zu verleumden und sie ihm streitig zu machen: Der Onkel, der Maestro, dessen Frau, der Oberschulrat, die Zibelli, sie alle logen. Nun denn, er würde sie allen zum Trotz lieben. Und er liebte sie wirklich mehr denn je und fand selbst in der strengen Gleichmäßigkeit ihres Betragens ihm gegenüber, ja sogar in jeder neuen Haltung oder Bewegung, die er an ihr entdeckte, einen Beweis für die Ehrbarkeit ihres Lebenswandels. Ein weiteres Moment der Erregung kam hinzu: Es waren Maurer im Haus, die den Fliesenbelag auf dem Treppenabsatz erneuerten; sie hatten ein Brett über die aufgerissenen Stellen gelegt, das den Mietern als Steg dienen sollte, und da war es ihm eine wahre Wonne, wenn er zeitig aus dem Haus ging, die Pedani über dieses Brett balancieren zu sehen und die Biegung des Holzes unter ihrem Schritt zu ermessen, was ihm in gewisser Weise ein indirektes, aber überaus sanftes Gefühl für ihr Gewicht gab. Und eines Morgens wurde ihm ein großes Glück zuteil: Das Brett war zur Seite geschoben worden. Er kam rechtzeitig aus der Wohnung, um es an seinen Platz zu rücken, als die Maestra darübergehen wollte, und er tat das mit einer heftigen Bewegung, um seine Stärke zu demonstrieren. Sie nutzte das Brett aber nicht, sondern setzte mit einem Sprung über die Stelle hinweg, beim Springen streifte ihr Kleid sein nach unten gebeugtes Gesicht, was auf ihn wirkte wie ein lustvoller Peitschenhieb, und sie dankte ihm mit einem Lächeln, das ihn mehrere Tage lang glücklich machte. War das Wirklichkeit oder Illusion? Seit jenem Tag glaubte er in ihren Augen etwas Neues zu entdecken, einen Funken von Wohlwollen, was ihm der Anfang einer dauerhaften Veränderung schien; und er begann dieses Gesicht mit ungewöhnlicher Inbrunst zu erforschen, wie ein Astronom das Antlitz der Sonne, bald sicher, bald zweifelnd, so unmerklich war die Veränderung. Konnte er es wagen, seinen Antrag vorzubringen? War es zu früh? Aber auf welche Ermunterung sollte er noch hoffen?
Da kam ihm Ingenieur Ginoni mit einer brillanten Idee zu Hilfe. Eines Abends traf er ihn in der Via San Francesco: «Werter Sekretär», sagte er zu ihm, «wenn Sie ein aufmerksamer Mann sein wollen, müssen Sie etwas unternehmen. Bei Berry steht im Schaufenster eine Fotografie von Baron Maignolt, das ist derjenige, der auf der Strecke von Paris nach Versailles einen berühmten Radfahrer besiegte. Signora Pedani ist eine große Verehrerin des Barons. Sie sollten das Porträt besorgen und es ihr bringen. Was halten Sie davon? Sie werden sehen, das macht Eindruck. Aber Achtung: Es genügt nicht, Fotografien zu verschenken; man muss den Fotografierten nacheifern. Machen sie einen Dauerlauf von Turin nach Moncalieri, sodass die ‹ Gazzetta del Popolo › darüber berichtet: Damit erreichen Sie mehr als mit hundert Jahren Seufzern.»
Don Celzani sagte weder Ja noch Nein; doch bereits am Abend hatte er die Fotografie gekauft und der Hausangestellten der Lehrerinnen übergeben. Er erhoffte sich herzlich wenig von dieser Geste. Trotzdem erwartete er die Pedani am folgenden Morgen, und sei es auch nur, um ein kaltes Dankeschön entgegenzunehmen. Sie kam mit der Zibelli herunter. Als die ihn sah, ging sie grußlos vorbei. Die Pedani aber blieb stehen und sagte mit ungewohnter Lebhaftigkeit zu ihm, wobei sie ihm das schönste Lächeln schenkte, das er je an ihr gesehen hatte: «Ach, Herr Sekretär, wie freundlich von Ihnen! Wie haben Sie meinen Wunsch nur erraten?»
Don Celzani frohlockte.
Und schon im Gehen bemerkte die Maestra noch fröhlich zu ihm: «Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sagen Sie es, wenn ich Ihnen mit irgendetwas dienlich sein kann.»
Ach, die Barbarin! Aber Don Celzani war im siebten Himmel, und in Seligkeit schwelgend, war ihm, als hätte er einen Riesenschritt vorwärts getan, und er befand, der rechte Augenblick sei da. Onkel hin oder her, Auskünfte hin oder her,
Weitere Kostenlose Bücher