Liebe und Gymnastik - Roman
unter dem Eindruck einer starken Erregung sprechen, und insbesondere in einer ihnen nicht vertrauten Sprache, dass Sprechweise, Tonfall, Gestik, alles unwillkürlich von dem Gefühl abweicht, das sie ausdrücken wollen, sodass, während dieses ehrlich, einfach und bescheiden ist, alles pathetisch, gequält, rhetorisch, unpassend, falsch herauskommt, als ob jemand anderer an ihrer Stelle spräche, ohne sie zu verstehen und fast wie um sie vorsätzlich in ihren Absichten scheitern zu lassen. Ebendas widerfuhr dem armen Don Celzani. Er schlug sich mit der Hand an die Brust, wurde zu laut, ließ den Blick um die Maestra kreisen, wie um den Flug eines Schmetterlings zu verfolgen, und bewegte die dicken Lippen auf tausenderlei merkwürdige Weise, als ob sie vor Kälte taub wären: «Signorina!», rief er. «Ich hab Ihnen etwas zu sagen. Gestatten Sie. Verzeihen Sie mir. Ich weiß, dies ist nicht der Ort. Aber es gibt Momente, es gibt Gefühle, bei denen ein ehrlicher Mensch … wenn das Gefühl ehrlich ist … und sei es auch vor Gott … da ist es unmöglich … alles muss gesagt werden, alles ist entschuldbar … es ist eine Pflicht, ausreden zu lassen. Ich habe mich schon erklärt. Sie kennen meine Gefühle. Niemals, niemals war da Leichtsinn im Spiel, vom ersten Tag an. Nie. Immer habe ich diesen einen Gedanken gehegt. Niemals in meinem Bewusstsein … wenn ich es wagte … Gott ist mein Zeuge … die reinsten Absichten, das heiligste Ziel … Bindung fürs ganze Leben … auch wenn ich das nicht geschrieben habe, so sage ich es Ihnen doch jetzt, Signorina. Ihre Hand …! Vielleicht ist das nicht die rechte Art und Weise; aber ich wende mich an eine schöne Seele. Die Frucht ist reif. Ich habe nachgedacht. Zu Ihnen spricht ein Ehrenmann. Der Onkel ist einverstanden. Glauben Sie diesem Herzen. Mein Leben ist kein Leben mehr. Ich bitte nur um Ihre Hand. Nur ein Wort. Sprich mein Urteil.»
(«Sprich» war ein Lapsus Linguae 27 .)
Nach diesen Äußerungen schaute er der Maestra keuchend und mit aufgerissenen Augen, ja fast mit einem Ausdruck des Schreckens, ins Gesicht.
Die Lehrerin, die bei den ersten Worten gelächelt und die letzten voller Ernst angehört hatte, runzelte die Stirn, als er fertig war, einen Anflug von Röte im Gesicht, die aber gleich verschwand. Dann sagte sie, den Blick auf einen Kalender an der Wand geheftet, in völlig natürlichem Tonfall, der in kuriosem Gegensatz zu dem des Sekretärs stand, und mit einer Stimme, die in ihren Tiefen ein Bariton war: «Sehen Sie, Herr Sekretär», antwortete sie. «Ich finde nicht die Worte, um gewisse Dinge zu sagen … wie man sie sagen müsste. Ich sage Ihnen frei heraus meine Meinung, Sie werden verzeihen. Ich kann Ihnen nur danken für Ihre guten Absichten. Ja, ich fühle mich geehrt. Aber … wenn ich einen Gedanken in dieser Richtung gehabt hätte, hätte ich ihn gleich kundgetan, nach Ihrem Brief, denn ich hatte verstanden, was gemeint war. Ich beteure Ihnen, dass ich mich aufrichtig geehrt fühle. Aber, und das ist die Sache: Ich verspüre wirklich keinerlei Berufung zur Ehe. Bei meiner Beschäftigung muss ich frei sein; ich habe beschlossen, frei zu bleiben. Und dann … ich bin siebenundzwanzig. Wenn ich andere Neigungen hätte, wäre ich ihnen längst gefolgt. Sodass … Kurzum, ich finde die Worte nicht. Es tut mir leid, ich danke Ihnen. Das ist alles. Geben Sie mir bitte die Quittung.»
Bei diesen Worten schrie die verletzte Liebe auf, und Celzani fand zu seinem natürlichen Wesen zurück.
«Ach nein, Signorina, nein!», rief er erregt. «Sie reden so, weil Sie mich nicht kennen. Ich, ich bin doch nicht wie die anderen, was glauben Sie denn? Ich liebe Sie ernsthaft, und eine Weile schon leide ich, ich sehe nichts anderes mehr. Was soll man da machen? Sie sagen: Ich will frei sein. Was kümmert mich das? Ich bin doch nicht Ihr Vorgesetzter. Ach, Sie verstehen mich nicht. Ich würde Ihr Diener sein, ich erwarte nichts, ich bin ein Nichts, unter Ihre Füße würde ich mich legen und wäre verrückt vor Glück! Sie wissen nicht, wie ich bin, dass ich Ihretwegen den Kopf verliere, dass ich mein Blut für Sie hingeben würde und mein Seelenheil … Großer Gott! Sagen Sie nicht Nein! Haben Sie Erbarmen mit einem Ehrenmann!»
Bei diesen Worten breitete er die Arme aus und verneigte sich vor ihr, das Gesicht flehend erhoben, wie der heilige Antonius von Murillo 28 vor dem Jesuskind.
Erstaunt von so viel glühender Leidenschaft bei diesem Mann, sah die
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