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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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der Freunde der Technik einen Vortrag über die Einführung einer besonderen Form der Heilgymnastik bei bestimmten Missbildungen von Kindern und breitete dabei ohne alle pedantische Besserwisserei selten gründliche Kenntnisse der Anatomie aus. Die Zeitungen berichteten darüber und erwähnten voller Sympathie ihre Person, die schöne und merkwürdige Stimme sowie ihre einmalige Art, mit kräftigen und zugleich maßvollen Gesten zu argumentieren, die Beifall hervorriefen. All das führte dazu, dass sie für Privatunterricht sehr gesucht war, Lehrerinnen kamen zum Gymnastikunterricht zu ihr nach Hause, weil der Turnverein in diesen Monaten keine Kurse abhielt; es kamen Mädchen mit irgendwelchen Defekten, die nicht mit anderen zusammen üben wollten, oder diplomierte Lehrerinnen, die Erklärungen und Hilfe suchten. Alle naslang traf Don Celzani diese Frauen auf der Treppe und hörte, wie sie und andere immer wieder und voller Bewunderung ihren Namen nannten, im Haus und außerhalb. Dieser aufgehende Stern ihres Ruhmes gab seiner Liebe nun neue Nahrung, war ein neuer scharfer und köstlicher Stachel für sein Verlangen. Es verschaffte ihm eine besonders raffinierte Wollust, wenn er sich ausmalte, im sicheren Besitz einer anerkannten und bewunderten Frau zu sein. Er dachte, in seiner Verborgenheit würde er doppelt glücklich sein, sie bei sich zu haben, wenn sie von einem Vortrag heimkam, wo sie mit Applaus gefeiert worden war, und diese wohlgeformte Erscheinung sein Eigen zu nennen, die so viele andere mit Blicken gestreichelt und begehrt hatten. Es schien ihm sogar, als würde sein Glück umso süßer und tiefer sein, je kleiner und nichtiger er neben ihr war, nichts als ein Ehemann für gewisse Stunden, den Rest des Tages über vergessen, gehalten wie ein Diener, ein Werkzeug, ein Zeitvertreib, ein zahmes Haustier. Ach, großer Gott! Und das entflammte sein Herz noch mehr: Mit dem soliden Dickschädel eines besonnenen Menschen, dem eine gewisse priesterliche Raffinesse nicht abging, hatte er auf dem Grund ihrer Seele gelesen und begriffen, dass sie, sollte sie den Schritt je tun, ihm bedingungslos treu sein würde, und wenn auch nur aus Selbstachtung und aus Vernunftgründen, egal, wie tief er in allem Übrigen auch unter ihr stehen würde. Wenn er das nur erreichen könnte, was kümmerte ihn dann noch der Hohn und die Tücke der anderen! Er wäre sich seiner Sache gewiss, der ganzen Welt würde er die Stirn bieten und seinen Schatz zu hüten wissen. Der Spott von Maestro Fassi – da konnte er ja nur lachen!
    Ebendieser bedachte ihn jedes Mal, wenn er ihn traf, mit einer bissigen Bemerkung, nun jedoch mit einem neuen Gefühl der Erbitterung gegenüber der Pedani, die, indem sie ins Licht trat, ihn im Schatten zurückließ. Außerdem schränkte sie, da mit anderem beschäftigt, ihre Zusammenarbeit, auf die er doch angewiesen war, immer mehr ein. Just in diesen Tagen hatte er sich mit provokanten Artikeln im «Agone» eine Menge Feinde gemacht. In einem Rundumschlag gegen die Gegner der Gymnastik hatte er von den Tänzern gesagt, da sie nur die unteren Gliedmaßen bewegten, hätten sie athletische Beine und Hühnerbrüste; er hatte die Fechtmeister angeklagt, sie würden rechte Hüfte und Schulter übermäßig trainieren, zum Schaden der ausgewogenen Proportionen des ganzen Körpers; er hatte auf die Klavierlehrer geschimpft, da sie die Hauptursache für die sitzende Lebensweise der Mädchen seien, und auf die Verfechter des Bandagierens, die die Gymnastik bekämpften, weil sie ihr Folterwerkzeug in Misskredit brachte; sogar gegen die Apotheker und Drogisten hatte er gewettert, als er schrieb, sie verleumdeten «die neue Wissenschaft», weil ihretwegen der Verkauf von Lebertran zurückgegangen sei – und hatte am Ende von allen Seiten erboste Zuschriften bekommen, auf die so ganz allein zu antworten ihn in Verlegenheit brachte, und eben in dieser schwierigen Lage ließ die Pedani ihn nahezu im Stich. Fassi machte seinem Ärger dem Sekretär gegenüber Luft, ohne den wahren Grund zu nennen, er schimpfte die Maestra ehrgeizig und undankbar, obwohl er aus Eigennutz noch die besten Beziehungen zu ihr aufrechterhielt, und wenn der Sekretär sie verteidigte, wurde er noch ausfälliger.
    Eines Tages kam es schließlich zu einem Wortwechsel. Als der Maestro die üble Nachrede weiter trieb als sonst, antwortete Don Celzani ihm verärgert: «Die Signorina Pedani ist ein ehrbares Mädchen.»
    «Pah!», sagte Fassi. «Wenn ich

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