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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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antwortete allen.
    Die stärkste Motivation zu all dieser Arbeit bezog sie gewiss aus der festen und warmherzigen Überzeugung, Gutes zu tun, die seit frühester Jugend in ihr lebendig war. Doch mit wachsendem Bekanntheitsgrad und zunehmendem öffentlichem Beifall begann sich da eine zuvor nicht gekannte Selbstgefälligkeit einzuschleichen, eine Regung von Ehrgeiz, die sie sich nicht eingestehen mochte, und damit verbunden ein neues Gefühl: eine Erregtheit bei der ersten Berührung mit dem Ruhm, eine gewisse Bitterkeit, nicht zu wissen, auf wen sie den Überschwang der sie umtreibenden intellektuellen und moralischen Vitalität abladen sollte. Aber schließlich überwog die ursprüngliche Kraft ihres Wesens und bewirkte, dass sie sich mehr als Frau fühlte denn je zuvor. Für sie, die nie davon geträumt hatte, aus ihrem bescheidenen Dasein im Dunkeln herauszutreten, war das bisschen Lärm, das in einem Winkel dieser Erde um ihren Namen gemacht wurde, der Ruhm – und Ruhm bedeutet Einsamkeit. Und wenn sie diese Einsamkeit verspürte – während der Pausen in ihrer Arbeit, an den Tagen, wenn die Freundin nicht mit ihr redete –, wanderten ihre Gedanken manchmal zu dem armen Don Celzani, nicht als einem Geliebten, sondern wie zu einem Freund, und dann stand sie einen Augenblick lang da, das Federmäppchen an die Unterlippe gelegt und mit einem leichten wohlwollenden Lächeln, das seinem Bildnis galt. Er liebte sie, ohne Zweifel, und sie begriff, dass das bei ihm eine der Passionen war, die ausreichend Substanz haben, um ein ganzes Leben lang vorzuhalten. Nur dass …
    Sie hielt ihren Vortrag über die freiwilligen Feuerwehrfrauen. Der Abend war schlecht gewählt. Es waren nur wenige Leute anwesend, darunter etwa dreißig Damen und eine Gruppe Studenten, aber bei diesen wenigen erntete sie wegen der Ausgefallenheit des Themas, der Originalität und Lebhaftigkeit der Darstellung herzlichen Beifall. Als einer der Ersten eilte der junge Ginoni zu ihr nach vorn, um ihr die Hand zu schütteln, mit so munterer Miene, als ob nichts zwischen ihnen vorgefallen wäre, ja mit einem strahlenden Lächeln, in dem sie zu ihrem Leidwesen das Wiederaufleben seiner Laune las. Und in der Tat, als er sie zum ersten Mal so in der Öffentlichkeit erlebte, bewundert und beklatscht, fing seine kleine Leidenschaft an der Zündschnur der Eitelkeit erneut Feuer. Die Vorstellung von den erlesenen Wonnen, die es für sein Selbstgefühl bedeuten würde, sie, wenn er sie besiegt hätte, in dieser Weise zu sehen und zu hören, bereitete ihm so etwas wie einen unwiderstehlichen Kitzel. Da er sie nicht wirklich gut kannte, entschied er sich für einen erneuten Anlauf nach Art des ungestümen und leichtsinnigen Jünglings, der an die Allmacht des Angriffs mit dem Bajonett glaubt.
    Tags darauf, zu der Zeit, da sie gewöhnlich allein aus dem Haus ging, erwartete er sie auf dem Treppenabsatz im ersten Stock. Es regnete, das Treppenhaus war dunkel, seinem Vorhaben also günstig. Um einen Anknüpfungspunkt zu haben, hatte er bei Berry ein Porträt von Meller gekauft, dem Gewinner des ersten Preises von Frankfurt, von dem innerhalb weniger Tage in ganz Europa Tausende Fotos verbreitet worden waren.
    Als er sie herunterkommen hörte, ging er ihr entgegen.
    Sie war wirklich schön an diesem Tag, noch etwas erregt von dem kleinen Triumph am Abend zuvor, ganz dunkel gekleidet mit einem großen schwarzen Hut, der ihre muskulöse und schlanke Gestalt wunderbar krönte.
    Der junge Mann zog den Hut, hielt ihr die Fotografie hin und sagte aufgeräumt: «Signorina, erlauben Sie mir, Ihnen ein Porträt zu schenken? Vielleicht möchten Sie es genauer ansehen?»
    Misstrauisch kam sie mit dem Gesicht näher; doch kaum hatte sie den Namen gelesen, rief sie erfreut: «Meller!»
    Sie nahm das Porträt und trat zur Wand, um es in dem wenigen Licht, das durch das kleine Treppenhausfenster hereinfiel, besser zu sehen. Der junge Mann drängte sich an sie, wie um es ebenfalls zu betrachten, und das Kinn über ihre Schulter reckend, begann er mit leiser Stimme und mit dem Zeigefinger der rechten Hand Erklärungen zu geben: «Das ist der echt deutsche Typus. Beachten Sie die Schädelform, beachten Sie den Mund. Und doch, wenn man es nicht wüsste, würde man nicht sagen, dass er der beste Turner Deutschlands ist. Sieht er nicht eher aus wie ein biederer Literaturprofessor? Werden Sie mir je ein ermunterndes Wort sagen? Werden Sie mir gegenüber immer so gleichgültig sein? Wird

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