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Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmondo de Amicis
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sprechen, der fortschrittlich war und heute, wenn er noch lebte, zweifellos Baumann-Anhänger wäre, weil er Talent hatte, während ihr nicht einmal mehr konservativ seid und noch hinter ihn zurückfallt?»
    Die Zibelli wurde bleich und verlor die Fassung. «Nun», antwortete sie, «selbst wenn dem so wäre, ist doch alles besser, als mit euch voranzugehen, mit eurer Gymnastik für Straßenartisten, gefährlich für die Knaben, schamlos für die Mädchen, brutal für alle und eine Scharlatanerie.»
    Wenn die Freundin außer sich geriet, wurde die Pedani wieder Herrin ihrer selbst.
    «Nun», antwortete sie wie nebenbei, «lasst uns nur das Genick brechen und bleibt bei eurer zahmen Kindergymnastik. So habt ihr kein Aua-Aua und tut etwas fürs Schamgefühl.»
    Das brachte die Zibelli auf hundertachtzig. «Ich will nicht obendrein auch noch ausgelacht werden», schrie sie. «Ich habe es satt, beleidigt zu werden. Schon eine ganze Weile … Ah! Ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr!»
    Mit aller Kraft die Tür hinter sich zuschlagend, lief sie hinaus, und die Pedani blieb mehr erstaunt als gekränkt vor ihrem Atlas sitzen. Mehr denn je war sie allerdings auch all dieser Wechselbäder, all dieser Wutausbrüche überdrüssig, deren Ursache sie nur vage erahnen konnte, die ihr aber durch ihre zunehmende Häufigkeit das Zusammenleben inzwischen verleideten.
    Auch für den armen Don Celzani lief in diesen Tagen alles zunehmend schlechter. Die Sekundanten des Studenten ließen sich nicht blicken, weil der Ingenieur dem Sohn strengstens verboten hatte, die Sache weiterzuverfolgen. Als er aber zwei Tage später auf der Treppe Signora Ginoni begegnete, die immer freundlich zu ihm gewesen war und ihm manchmal sogar gestattet hatte, ihr den Arm zu bieten und ihre träge magere Gestalt die Treppe hinaufzubegleiten, musste er zu seinem Kummer erleben, dass sein Gruß nicht erwidert wurde. Dieser Affront hätte ihn freilich noch mehr gekränkt, wenn er gewusst hätte, dass er nicht dem Beleidiger ihres Sohnes galt, sondern dem Verehrer der Maestra, demjenigen also, der ihren geliebten Alfredo an einem galanten Abenteuer hindern wollte, vor dem ihr mütterliches Auge zuzudrücken sie mit Freuden bereit gewesen wäre! Den Gnadenstoß versetzte ihm dann am selben Tag Ingenieur Ginoni, der ihm den gleichen Tort antat, indem er in der Via San Francesco an ihm vorüberging, ohne ihn auch nur anzusehen. Die Beziehungen zur gesamten Familie waren also abgebrochen, und das steigerte noch den krankhaften Erregungszustand seiner Leidenschaft.
    Am nächsten Tag widerfuhren ihm noch weitere Unannehmlichkeiten. Unter den Mädchen, die in den dritten Stock hinaufstiegen, um Privatunterricht in Gymnastik zu nehmen, war auch eine Art Zigeunerin mit kurzen Haaren, Tochter einer Seifen- und Salbenverkäuferin. Sie war selbst Gymnastiklehrerin und ging zur Pedani, um sich «Kombinationen» von rhythmischen Schritten zusammenstellen zu lassen, die sie dann als ihre eigenen ausgab; und da sie sich leidenschaftlich für die Kunst begeisterte und überhaupt ein wenig sonderbar war, probte sie unentwegt, egal wo sie war, das Röckchen angehoben, als ob sie den Veitstanz hätte. Als die frommen Damen aus dem ersten Stock sie schon zum zweiten Mal überraschten, wie sie einer anderen Schülerin der Pedani nur mit Strümpfen an den Beinen etwas vorführte, ließen sie empört und wütend den Sekretär rufen, damit er diese Schamlosigkeiten unterbinde, und sagten zu ihm, «wegen dieser Pedani erkennt man das Haus ja gar nicht wieder». In seiner Liebe getroffen und ohnehin schon schlecht aufgelegt, antwortete der Sekretär unwirsch, die Damen blieben ihm die Antwort nicht schuldig, er wurde laut, da setzten sie ihn vor die Tür, drohten, sich an den Hausherrn zu wenden, und verboten ihm, sie je wieder zu grüßen.
    In den folgenden Tagen kam es aber noch schlimmer für ihn. Professor Padalocchi trug ihm auf, in seinem Namen den Maestro Fassi zu bitten, er möge doch dafür sorgen, dass seine Kinderschar zu einer bestimmten Uhrzeit aufhöre, herumzuhopsen und mit den Hanteln zu spielen, weil ihn das in seinen Sprachstudien störe. Der Sekretär, ohnehin schon gereizt, richtete die Botschaft nicht mit der gebotenen Höflichkeit aus und ließ sich das Wort «Krach» entschlüpfen. Der Maestro geriet außer sich vor Wut. Wissenschaftliche Versuche Krach zu nennen, die praktische und systematische Vorbereitung auf seinen Unterricht, wobei er sich für das Wohl der

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