Liebe und Tod in Havanna
Guajavenbäume, Zitronenbäume und einen großen Flammenbaum, an den eine Holzleiter gelehnt war, damit sich die Hühner am Abend darauf zurückziehen konnten.
Eine kleinere Hütte diente als Küche. Eine altertümliche Küche, die lediglich aus ein paar Steinen auf einem Holztisch bestand. Aurora, Marias Mutter, besaß natürlich einen Petroleumkocher, mit dem jeder Haushalt auf dem Land vom Staat ausgestattet wurde, allerdings hatte es seit Monaten keinen einzigen Tropfen Petroleum mehr gegeben. Also ging man auf dem Hügel Holz suchen und kochte wie zu Zeiten der Sklaven.
Aurora war schwarz, hatte aber einen chinesischen Einschlag. Sie war die Tochter einer Nachfahrin neuguineischer Sklaven aus Pinar del Río und eines chinesischen Schneiders, der ebenfalls einer Sklavenfamilie entstammte.
Für Pedro war es eine weitere Überraschung, dass es in Kuba chinesische Sklaven gegeben hatte, zwar sehr viel weniger als schwarze, aber immerhin doch so viele, dass sie in Havanna ihr eigenes Viertel hatten.
Aurora war etwas kompakter und auch kleiner als Maria, aber mit ihren grünen Augen war sie immer noch sehr schön.
Hatte Maria die Wespentaille und den runden, sich förmlich nach oben reckenden Po ihrer Mutter geerbt, so hatte sie die Eleganz und Geschmeidigkeit des Vaters, eines spindeldürren, hochgewachsenen gallego, was abwertend für Spanier stand. Der hatte lange Beine, die in Gummistiefeln steckten, einen breiten Oberkörper und einen vornehmen Kopf wie Don Quichote, auf dem wie festgewachsen ein Sombrero aus ausgeblichenem Stroh saß. Listige blaue Augen und volle Lippen, zwischen denen eine Puro klebte — die ebenso festgewachsen schien wie der Strohhut –, rundeten das Bild ab.
Überflüssig, zu erwähnen, dass die Ankunft des Jeeps für einiges Aufsehen sorgte. Aurora schloss daraus sofort, dass ihre Tochter eine Hure geworden war und José, der philosophischer veranlagt war, begriff auf der Stelle, dass Maria endlich die Liebe gefunden hatte.
Er gab Pedro die Hand. Tatsächlich waren sie beide gleichaltrig und hätten sehr gut Klassenkameraden sein können. Aber in Kuba war es keine Seltenheit, dass ältere Männer ein junges Mädchen zur Frau nahmen.
»Papa, das ist Pedro. Er ist ein französischer Dichter, wir haben beschlossen zusammenzuleben.«
»Mein Gott!«, rief Aurora aus.
»Wir werden ein Haus bauen, Mama, auf dem Hügel, neben dem Wasserfall, ein Haus aus Holz.«
»Aber wir haben doch nichts, nicht mal einen Nagel.«
»Pedro wird sich um alles kümmern.«
Verschwörerisch wie zwei alte Freunde holten Pedro und José die Einkäufe aus dem Jeep, öffneten den Whisky, holten Eiswürfel aus der Kühlbox und setzten sich in die Schaukelstühle auf der kleinen Terrasse.
»Willkommen im Paradies, Franzose!«, sagte José und stieß mit Pedro an. »Ich wusste, dass du eines Tages kommen würdest. Meine Tochter ist so schön, so intelligent und so sanftmütig, dass sie früher oder später einmal einen Zauberer mit nach Hause bringen musste, der unser Leben verändert und uns auf dem Boden eines Whiskyglases Sterne entdecken lässt!« Er nahm einen Schluck, ganz langsam und voller Genuss. »Weißt du, Francés, dass ich seit vierzig Jahren keinen Whisky mehr getrunken habe? Das letzte Mal zu Batistas Zeiten, zum Geburtstag eines Vorarbeiters.«
Im Hof ertönte ein schriller Schrei. Lachend drehte Aurora einem Huhn den Hals um.
Maria wechselte im einzigen Schlafzimmer, dem ihrer Eltern, die Laken und tauschte die alten gegen fröhlichere, geblümte aus.
Die Matratze, die Pedro mitgebracht hatte, wurde auf dem Boden in der sola ausgebreitet, die – ebenfalls geblümten – funkelnagelneuen Kissen darauf gelegt. Auf diese Weise würden alle zusammenwohnen, bis das Haus gebaut war. So war es üblich in Kuba.
»Es wird dunkel, Francés«, sagte José und erhob sich. »Ich werde die Lampen anzünden.«
Er kam mit zwei mit Petroleum gefüllten Cristal-Bierdosen zurück, aus denen ein Docht ragte, der mit Hilfe eines Lappens in das kleine Dreieck des Ausgießers geklemmt war.
»Das sind meine bombillos«, sagte José lachend. »Mit der Gallone Petroleum, die du mitgebracht hast, können wir unser Haus so hell erleuchten wie Versailles.«
»Maria hat mir von einem Wasserfall erzählt«, sagte Pedro. »Wir könnten dort einen Generator installieren und Strom erzeugen.«
»Natürlich können wir das, Robinson!«, erwiderte José schelmisch. »Es ist ja nicht so, als hätten wir alle darauf
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