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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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gewartet, dass du kommst und uns auf die Idee bringst. Ich habe es sogar mit einem Ladegerät für Autobatterien versucht, aber es hat nicht funktioniert, das Ding war vergammelt, die Schaufelblätter haben sich nicht schnell genug gedreht und wenn es funktioniert hätte, hätte man es mir sowieso sofort geklaut.«
    »Ich dachte, es gibt keine Diebe in La Palma. Ich habe am Straßenrand überall Hühner und Schweine frei herumlaufen sehen«, sagte Pedro.
    »Wir sind hier nicht in Havanna oder in Pinar. Aber man sollte den Teufel nicht in Versuchung fuhren. Abends werden die Tiere immer reingeholt. Ich lasse meine Hühner auf den Flammenbaum klettern und nehme dann die Leiter weg. Der Einzige, der nicht auf dem Baum schläft, ist Paquito.«
    »Paquito lindo! Cotorito!«, echote der Papagei aus seinem Käfig, der an einem Balken im Patio hing. »Paquito descarado! La puta!«
    »Er ist schrecklich laut und geschwätzig«, entschuldigte sich José, »aber er leistet uns Gesellschaft und kündigt uns Besucher an. Ein Papagei ist besser als ein Wachhund. Der sieht alles.«
    Pedro dachte, dass man Paquito die Marseillaise beibringen sollte und auch, »Napoleon« zu sagen. Ein Papagei, der nicht Napoleon sagte, war seines Namens nicht würdig.
    »Maricón!«, kreischte Paquito für alle Fälle jedem Neuankömmling entgegen.
     
    ––– ¤ –––
     
    »Aya en l’habana del Este
    Pasando el tunnel mi amor
    Tengo una casita linda
    Y haya vive mi corazón.«
     
    Pedro hatte den Ghettoblaster auf die Treppe gestellt, und während sie das Hühnchen verschlangen, sang Ibrahim Ferrer mit seinen alten Kumpels:
     
    »Dort drüben in Havanna-Ost
    auf der anderen Seite des Tunnels, mein Liebling
    Habe ich ein hübsches kleines Haus
    Und dort wohnt mein Herz.«
     
    »Ein hübscher Gedanke, ein kleines Haus der Liebe zu bauen«, befand José und nahm einen großen Schluck chilenischen Chardonnay. »Aber zuerst müssen wir das Material finden. Was das Holz angeht, da können wir uns notfalls auch mit den Förstern hier in der Ecke arrangieren, aber Zement? Kannste vergessen, auf dem offiziellen Markt und Schwarzmarkt ist sehr gefährlich. Wenn du dich ohne Papiere mit einem Sack Zement erwischen lässt, genauso, wie wenn du mit Rindfleisch handelst, gehst du zwanzig Jahre in den Bau, ohne Bewährung. Das ist das neue Strafgesetz von Carlos Lage. Früher war es einfach, da hast du alles auf dem Schwarzmarkt gekriegt, natürlich nur gegen Dollar. Aber jetzt hast du selbst mit den Dollars Schwierigkeiten und es ist sehr riskant. Gut, du mit deinem Touristenjeep müsstest leichter durch die Kontrollen kommen. Ich werde sehen, was ich morgen tun kann. Wir ziehen zusammen los, um die Lage zu peilen. Wir brauchen mindestens zwanzig Säcke für den Estrich und das Fundament.«
    Während die Männer über Arbeit sprachen, schwiegen die Frauen. Aurora betrachtete ihre Tochter voller Zärtlichkeit und streichelte ihre Wangen, ihre Stirn, ihr Haar.
    Dann drückte sie ihr lauter kleine Küsse auf die Hand, als wäre sie eine Madonna. Maria hatte ihr alles erzählt: von den Gedichten Préverts, davon, wie sie sich unter dem Wasserfall geliebt hatten, und wie er ohne Schutz in sie eingedrungen war. Das war eben Kuba, die Mädchen brauchten vor ihren Müttern nichts zu verbergen.
    Aurora sah sich schon als Großmutter und begann, vor Freude zu weinen.
    »Hör auf zu heulen, altes Mädchen!«, brummte José mit gespielter Strenge, »und hol uns lieber ein bisschen Eis für den Whisky und zwei puros frescos! « In nicht einmal zwei Stunden hatte José sich an seine neue Situation als Bonze gewöhnt.
    So waren die Kubaner. Sie besaßen die Fähigkeit, unbeschadet von extremer Armut zu Opulenz zu wechseln. Und wenn sie einen Tag später wieder arm waren, dann nahmen sie auch das hin, ohne mit der Wimper zu zucken. »So ist eben das Leben!«
    Diese Gabe der Anpassung war vermutlich dem Bildungsniveau des kubanischen Volkes zu verdanken. José und Aurora lebten in der größten Not, doch alle beide konnten lesen, schreiben und rechnen und wie ihre Nachbarn saßen sie an Regentagen Seite an Seite in ihren Schaukelstühlen auf der Terrasse und lasen Romane und Essays, die sie in der Gemeindebibliothek ausliehen. Aurora liebte amerikanische Romane wie Vom Winde verweht. José hatte eine Leidenschaft für Alexandre Dumas und entschied auf der Stelle, dass er Pedro »Porthos« nennen würde.
    »Du bist genauso stark und verrückt wie er! Ein bisschen

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