Liebe und Tod in Havanna
auch mal ein bisschen Geld für Glücksspiele auf den Kopf hauen kann.«
»Ich sehe den Zusammenhang nicht, was hat das mit Glück zu tun?«
»Aber das liegt doch auf der Hand. Das, was wir beide in den nächsten drei Tagen machen werden, ist ein bisschen wie Roulette.«
»Ach ja?«
»Ja, wir spielen, wir werden die Bank herausfordern. Und wenn wir unseren Einsatz verlieren, haben wir wenigstens ein bisschen Spaß gehabt.«
Anne hatte ihre Hand auf Jos Glied gelegt und streichelte es sanft.
»Du hast dich nicht verändert. Du bist immer noch voller Kraft.«
»Weißt du, solche Dinge ändern sich in der Regel nicht.«
Er schob eine Hand unter Annes T-Shirt.
»Du hast dich auch nicht verändert.«
Sie waren wie zwei Teenager, die mit Papas Cabrio eine Spritztour an den Strand machten, der vor rosa Neonlicht nur so troff.
»Ich habe bei Alice einen Tisch auf der Terrasse reserviert. Das ist das beste französische Restaurant von Long Beach. Ich dachte, ein bisschen Nouvelle Cuisine würde dir gefallen.«
»Wie ich sehe, hast du alles vorbereitet. Kennst du die Gegend schon?«
»Ich habe vor deiner Ankunft alles mit Arthur geprobt.«
»Also, wenn ich recht verstehe, ist das Bett noch warm, richtig?«
»Was denn, Jo. Du bist eifersüchtig? Dein Vater hat dir doch sicher gesagt, dass Proben nichts mit der richtigen Vorstellung zu tun haben. Bei den Proben markiert man, legt die Orte fest. Man simuliert. Aber mehr sage ich nicht dazu, sonst fühlst du Macho dich noch geschmeichelt.«
Kein anderes Volk auf der Welt ist wie die Amerikaner in der Lage, andere Zivilisationen erst zu schlucken und dann nachzuäffen. Die Terrasse des Chez Alice glich haargenau jener des Moulin de Mougins. Und wären nicht die Palmen am Strand gewesen und die langen Limousinen, die die Promenade hinunterfuhren, hätte Jo sich in Grasse geglaubt, in einer milden Sommernacht.
Die Küche war bis ins Detail mit der von Roger Vergé identisch: Zucchiniblüten an Schwarztrüffel, Hummerfrikassee in roter Crème de Baie und dazu ein Sauternes, Lammcarre mit Bohnenkrautjus, Knoblauchquiche und Bohnen mit Jus, kleine, in Olivenöl marinierte Ziegenkäse, Gratin aus roten Früchten. Und damit es besser rutschte, wurde dazu Bandol kredenzt, zunächst Weißer, dann Rosé.
Selbst der Kellner sprach mit nizzaischem Akzent und er war allgegenwärtig, doch diskret, wie ein echter Vollblut-Kellner eben ist, wenn ein Paar sich zwischen der Birne und dem Käse küsst.
Was Jo und Anne auch taten, und zwar ausgiebig, wie ein frisch verheiratetes Ehepaar auf Hochzeitsreise. Es war ein so langer Kuss, dass Georges, der Kellner, reglos eine gute Viertelstunde mit der Weinflasche in der Hand in einer dunklen Ecke der Terrasse verharrte. Anschließend tranken sie Cognac.
»Ist doch merkwürdig, ich werde langsam wie mein Vater«, sagte Jo, der beschwipst war. »Drei kleine Cognacs, und ab ins Bett.«
»Ich habe die Absicht, dich heute Abend fertig zu machen, Jo. Ich will, dass du mich von hinten nimmst, dass du in meinem Arsch, meinem Mund, zwischen meinen Brüsten, einfach überall kommst.«
Anne war völlig betrunken, aber sobald sie im Hotel waren, taten sie, wie sie gesagt hatte.
Nach jeder Umarmung schwammen sie nackt im Pool, wuschen ihre Körper und wurden gleichzeitig nüchterner. Und bei Tagesanbruch, als zwischen den Kokospalmen die Dämmerung durchschimmerte und sich hinter dem Hotel, auf der nahe gelegenen Autobahn, zögernd das dumpfe Dröhnen tausender Autos erhob, die nach Miami hineinfuhren, waren sie erschöpft wie zwei Zehnkämpfer nach dem Wettkampf.
Sie schliefen zehn Stunden am Stück und nach einem reichhaltigen Frühstück, das ihnen von einem kleinen Schwarzen in Hotelpagenuniform serviert wurde, schlug Anne vor, aufs Meer hinauszufahren.
»Wo möchten Sie hin?«, fragte der Steuermann, während er das Motorboot in die Fahrrinne lenkte.
»Nach Kuba!«, rief Anne lachend. »Nein, das war natürlich ein Scherz, fahren Sie einfach geradeaus, wohin Sie wollen, Hauptsache, wir sehen Delphine!«
Jo und Anne lagen auf dem Sonnendeck und blickten versonnen auf die spiegelglatte Oberfläche des Meeres. Jo träumte. Gegenüber, nur ein paar Seestunden entfernt, auf der anderen Seite des Canal de San Nicolás, lag Havanna, und Nieve, die sicher bei ihrer Mutter auf ihn wartete und die Tage zählte. Jo hatte versprochen, ihren Bruder in Miami zu besuchen.
Aber er würde warten, bis Anne weg war.
Ringsumher zogen Dutzende ähnlicher
Weitere Kostenlose Bücher