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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Gelegenheit, dich einzugewöhnen.“
    „Nach dem Trubel der Stadt finde ich es hier schrecklich einsam“, antwortete Jenny ehrlich. „Aber die anderen Dienstboten sind sehr nett zu mir, und die Gegend ist sehr hübsch.“ „In einigen Tagen kehren wir nach London zurück“, erwiderte Sara schmunzelnd. „Das bewahrt dich davor, melancholisch zu werden.“
    „Das freut mich“, sagte Jenny erleichtert und arrangierte Lady Sara die Locken über dem linken Ohr.
    Unwillkürlich kam Sara in Erinnerung, was Mikahl über das Mädchen geäußert hatte. Es hatte sie entsetzt zu hören, daß Jenny jahrelang in einem verrufenen Etablissement gewesen war, und nun, da sie wußte, was ein Mann mit einer Frau tat, machte es sie noch betroffener. Der Gedanke, daß vollkommen Fremde Frauen dazu zwangen, ihnen zu Willen zu sein, war ungeheuerlich und widerwärtig. Sie war sicher, falls es Mikahl eines Tages nicht mehr für sie gab, nie wieder mit einem anderen intim sein zu können.
    „Jenny, wie war es dir nur möglich, in diesem Freudenhaus zu überleben, ohne depressiv zu werden oder den Verstand zu verlieren?“ fragte sie impulsiv.
    Jenny zuckte zusammen, und die goldenen Haarnadeln fielen ihr aus der Hand.
    Erschrocken drehte Sara sich um und sagte bestürzt: „Oh, entschuldige! Ich hatte dir versprochen, das Thema nicht mehr anzuschneiden. Es tut mir leid, daß ich so unbedacht war.“
    Jenny hob die Haarnadeln auf und erwiderte so ruhig wie möglich: „Ich war nur überrascht, daß Sie das wissen wollten, Madam. Aber so furchtbar war das Leben bei Mrs. Bancroft nicht, als daß ich nicht darüber sprechen könnte. Ich glaube, es hat mir nicht so viel ausgemacht, weil ich aus dem East End stamme, wo jeder ein karges Dasein führt. Wenn man immer mit dem Schlimmsten rechnen muß, ist man erleichtert, wenn es nicht eintrifft. Sicher, für mich war es ein schwerer Schlag, daß mein Vater mich an Mrs. Bancroft verkaufte. Andererseits ist mir viel erspart geblieben, das anderen Mädchen aus der Nachbarschaft widerfuhr.“
    Jane Miller schwieg, und Sara sah im Spiegel zu, wie sie ihr geschickt die Locken auf der rechten Seite eindrehte und feststeckte.
    „Für die Mädchen, die aus besseren Verhältnissen zu Mrs. Bancroft kamen, war es ein viel größerer Schock, sich in einem Bordell wiederzufinden“, fuhr Jenny fort, nahm Lady Sara den Umhang ab und faltete ihn zusammen. „Einige sind tatsächlich verrückt geworden, als sie merkten, was ihnen bevorstand. Ich habe ihr Schreien gehört, obwohl die Wände ziemlich dick waren. Viele dieser Kinder blieben ja auch nur eine Nacht, weil Mrs. Bancroft ein Jungfrauenbordell unterhielt. Und wir anderen, die nicht fortgehen konnten, nun, wir haben uns eben arrangiert. Man kann sich an fast alles gewöhnen, Madam.“
    „Ich bin erschüttert!“ murmelte Sara entgeistert. „Ein Jungfrauenbordell! Soll das etwa heißen, daß ständig unschuldige Geschöpfe zu diesen verwerflichen Dingen herangezogen wurden?“
    „Das ist kein für die Ohren einer Dame geeignetes Thema“, antwortete Jenny ausweichend. „Seine Hoheit würde es mir sehr übelnehmen, wenn er wüßte, daß ich mit Ihnen über solche Dinge gesprochen habe.“
    „Du meine Güte, Jenny! Wie kann etwas, das du in der Praxis durchmachen mußtest, in der Theorie für meine Ohren ungeeignet sein?“ erwiderte Sara und fühlte plötzlich auf diese Mrs. Bancroft den gleichen Zorn wie damals, als sie von schweren Mißhandlungen der Waisenkinder durch die Aufseher erfahren hatte. „Es ist die Pflicht eines jeden Menschen, der die nötigen Mittel und den entsprechenden Einfluß hat, denen zu helfen, die vom Schicksal benachteiligt sind! Solange ich in Haddonfield Hall wohnte, habe ich mich sehr in der karitativen Arbeit engagiert, und ich gedenke, es auch hier in Sulgrave zu tun. Aber wie soll ich deinen früheren Leidensgefährtinnen beistehen, wenn ich nicht einmal weiß, welche Qualen sie auf sich nehmen müssen? Mir liegt daran, Näheres zu erfahren, wenn du dich überwinden kannst, es mir mitzuteilen. Nur so komme ich in die Lage, überhaupt beurteilen zu können, wo Hilfe nottut. Komm, setz dich, Jenny“, forderte sie die Zofe auf und wies auf einen Sessel.
    Zögernd kam Jane Miller der Aufforderung nach, zauderte einen Moment und berichtete dann in knappen Worten, was sie über die Ereignisse in Mrs. Bancrofts Haus wußte.
    Erblassend hörte Sara zu, und bei der Schilderung der Abscheulichkeiten krampfte sich ihr der

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