Liebe und Vergeltung
Säulen im Hintergrund glänzten unversehens blendend weiß, und die Geräusche, die Musik, das Lachen und Geplauder der tanzenden Paare hallten ihm in den Ohren. Wie gelähmt starrte er in die grünen Augen des Prinzen, gebannt von dem Ausdruck boshaften Spotts, der in ihnen stand, und fragte sich beklommen, warum er seit der ersten Begegnung mit diesem Mann stets das Gefühl gehabt hatte, ihn bereits zu kennen.
Und plötzlich wußte er, wo er diese Augen schon einmal gesehen hatte.
Verstört musterte er das Gesicht und suchte nach einer Ähnlichkeit mit dem Jungen, den er längst vergessen hatte. „Tripolis!“ murmelte er fassungslos. „Nein, das ist ausgeschlossen! Sie können unmöglich ...“
„Was ist ausgeschlossen?“ fiel Mikahl dem Baronet gleichmütig ins Wort. „Daß der Arm der Gerechtigkeit Sie endlich eingeholt hat? Auch damals haben Sie gesagt, es wäre ausgeschlossen, daß Sie je ertappt würden. Sehen Sie jetzt nicht selbst, daß es ein Trugschluß war?“
Nun gab es für Charles keinen Zweifel mehr, wer vor ihm stand, und schlagartig begriff er, warum er seit einiger Zeit in solche Nöte geraten war. Maßlose Wut stieg in ihm auf, und erbittert zischte er den Feind an: „Jetzt weiß ich, daß ich nicht vom Pech verfolgt bin! Du elender Wicht hast mich seit Monaten schikaniert und mir auf jede nur erdenkliche Weise Steine in den Weg geworfen! Die Trennung von Sara und die Klagen gegen die L & S sind keine Zufälle! Wahrscheinlich steckst auch du dahinter, daß ich nicht zum Baron ernannt worden bin!“
„Ganz recht!“ erwiderte Mikahl ruhig, obgleich er im stillen triumphierte. Auf diesen Moment hatte er fünfundzwanzig Jahre hingearbeitet. „Es befriedigt mich, daß Sie jetzt wissen, wer Ihnen das Unheil eingebrockt hat. Ich war es leid, darauf zu warten, daß Sie von sich aus darauf kommen.“ Innerlich belustigt beobachtete er Weldons wechselndes Mienenspiel. Erschrecken, Wut und Furcht wechselten sich in rascher Folge ab, und dann ließ der Baronet endgültig die Maske des wohlerzogenen Gentleman fallen.
Voller Haß musterte Charles sein Gegenüber und sagte verächtlich: „Du hast dich sehr verändert. Ich hätte nie gedacht, daß der schmutzige Bengel, der du warst, je fähig sein würde, die vornehmen Manieren eines kultivierten Mannes nachzuäffen. Denn nichts anderes tust du! Du bist nur die billige Imitation eines Gentleman!“
„Ich hatte einen Experten im Heucheln als Lehrmeister“, erwiderte Mikahl und deutete eine spöttische Verneigung an.
„Wie hast du dein Vermögen gemacht?“ fragte Charles hämisch. „Vermutlich hast du deinen hübschen, strammen ...“ Mikahl drückte ihm die Kehle zu, und der Rest des Satzes ging in einem halberstickten Ächzen unter. Er ballte die rechte
Hand und wollte zuschlagen, doch in der gleichen Sekunde sah er das höhnische Aufleuchten in Weldons hellblauen Augen und begriff, daß der Baronet ihn absichtlich zu einer Unbesonnenheit herausfordern wollte.
Einige der Umstehenden schauten bereits verwundert zu ihnen herüber.
Um kein Aufsehen zu erregen, das ihn nur in Mißkredit gebracht hätte, ließ er Weldon sofort los und strich ihm mit besorgt wirkender Geste über die rechte Schulter, ganz so, als wollte er ein Stäubchen vom Frack entfernen. Erleichtert registrierte er, daß die Neugierigen das Interesse an ihm verloren, setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und sagte leichthin: „Von Ihnen lasse ich mich nicht aufs Glatteis führen, Weldon! Sie haben Glück, daß wir von so vielen Menschen umgeben sind. Wären wir allein gewesen, hätte ich Ihnen den Garaus gemacht. Sicher, ich wäre mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, aber Sie hätten es nicht mehr miterlebt! Schade, daß mir im Moment die Hände gebunden sind, andererseits jedoch hätte Ihr früher Tod mich des Vergnügens beraubt, Sie noch länger zappeln zu sehen.“
Charles zwang sich zu einem gleichmütigen Aussehen und brachte mühsam über die Lippen: „Was willst du von mir, du Bastard?“
„Oh, das wissen Sie nicht?“ Mikahls Lächeln wurde breiter. „Ich werde Sie töten. Sie sollen leiden bis zum letzten Atemzug. Erst dann werde ich zufrieden sein.“
„Sie sind verrückt!“ erwiderte Charles und sprach unwillkürlich lauter. „Wir sind nicht im Orient! Wir sind in einem zivilisierten Land! Ganz gleich, welche Schwierigkeiten Sie mir gemacht haben oder machen werden, noch habe ich den nötigen Einfluß, um eine lausige Ratte wie Sie zu vernichten!
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