Liebe und Vergeltung
Sache annehmen“, versprach der Viscount frostig. „Versprechen kann ich Ihnen jedoch nichts, Weldon. Sie wissen, momentan ist die politische Lage sehr gespannt. Ein Ende der ägyptischen Krise ist nach wie vor noch nicht in Sicht. Die Tories sind mit dem Kurs meiner Partei nicht einverstanden, und es kann gut sein, daß es zu Neuwahlen kommt. Zur Zeit kann ich mir also nichts erlauben, was ein Anlaß zur Kritik wäre. Ich bin überzeugt, Sie haben vollstes Verständnis, Sir Charles“, fügte Lord Melbourne mit einem flüchtigen Lächeln hinzu. „Es ist besser, die Sache eine Weile auf sich beruhen zu lassen. Und nun werden Sie mich entschuldigen müssen. Dort drüben sehe ich jemanden, mit dem ich gern ein Wort wechseln möchte.“ Er nickte knapp und schlenderte auf Lord Palmerston zu.
Wie versteinert blieb Charles inmitten der fröhlichen Gäste stehen, ohne jemanden zu bemerken. Diesen Schlag zu verkraften war schwer. Der Premierminister konnte ihm keinen Sand in die Augen streuen. Er wußte genau, daß Melbourne nur Ausflüchte gemacht hatte. Der Traum von der Baronie war ausgeträumt.
Alles hatte nichts geholfen, die zur Pflege guter Beziehungen eingesetzten Unsummen nicht und auch nicht die hunderttausend den Whigs zur Verfügung gestellten Pfund, die er nur deshalb geopfert hatte, weil er damit rechnete, zum Peer erhoben zu werden und einen Sitz im Oberhaus zu erhalten.
Schon der Titel eines Baronets hatte ihn zwanzigtausend Pfund gekostet, und nun war alles umsonst. Er konnte das Geld nicht einmal zurückfordern, da er es stets als großzügige Spende für die Partei deklariert hatte.
Wütend fragte sich Charles, warum die Whigs ihn fallen ließen. Selbst wenn sie die Macht verloren, würden sie im letzten Augenblick noch dafür sorgen, daß ihre getreuesten Anhänger mit Ehren überhäuft wurden. Kein Politiker wagte es, jemanden so vor den Kopf zu stoßen, der sich immer spendabel gezeigt hatte. Dennoch hatte man die Stirn, ihn, Sir Charles Weldon, so zu brüskieren!
Überhaupt mißglückte ihm so vieles seit einigen Monaten. Noch zu Beginn des Sommers hatten ihn nicht die geringsten Sorgen geplagt. Seine Geschäfte blühten; er hatte es als gegeben betrachtet, zum Baron ernannt zu werden, und er war mit einer Frau verlobt gewesen, die aus einer der besten Familien des Landes stammte und ihm größere Geltung, Einfluß und Reichtum einbringen sollte.
Inzwischen war ihm das Glück in den Händen zerronnen. Sara hatte ihn betrogen; er stand am Rande des Bankrotts, und sein wichtigstes Unternehmen würde in Konkurs gehen, falls die Gerichte den Klagen recht gaben. Es war, als hätten sich alle finsteren Mächte gegen ihn verschworen.
Unversehens wurde er sich bewußt, daß man ihn verwundert anstarrte. Er zwang sich zu einem Lächeln, um nicht den Anschein zu erwecken, daß irgend etwas ihn bedrückte. Man mußte immer Zuversicht verströmen, ganz besonders dann, wenn die Geschäfte einen niederschmetternden Einbruch erlebten. Sonst stürzten die Gläubiger sich wie Schakale auf ihr Opfer.
Bewußt den Eindruck erweckend, er suchte jemanden, schlenderte er am Rande des Parketts entlang und sah sich unversehens dem Prinzen von Kafiristan gegenüber. Gespannt schaute er ihn an, war jedoch beruhigt, daß Seine Hoheit ihn zwar mißtrauisch, aber nicht feindselig betrachtete. Eingedenk der Absicht, den drohenden finanziellen Ruin von sich abzuwenden, lächelte er gezwungen freundlich und sagte höflich: „Guten Abend, Hoheit.“
„Guten Abend“, erwiderte Prinz Balagrini und fügte mit einem Blick auf die festlich gewandete Menschenmenge hinzu: „Ich habe das Gefühl, wie einmal in Kalkutta mitten in einem Aufstand der Massen zu sein.“
„Ja, heute hat tout le monde sich hier eingefunden“, erwiderte Charles, ermutigt durch den Umstand, daß der Prinz überhaupt mit ihm zu sprechen geruhte. Er setzte eine betrübte Miene auf und sagte in bedauerndem Ton: „Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Sir. Bei unserer letzten Begegnung habe ich mich zu unverzeihlichen Äußerungen hinreißen lassen.“
„Sie waren aufgeregt“, entgegnete Prinz Balagrini leichthin. „Unter den damals gegebenen Umständen ist es verständlich, daß Sie die Kontenance verloren. Es ist für jeden Mann ein großer Schock, die Frau, die er liebt, in den Armen eines anderen zu sehen.“
Die Erinnerung an die Blamage genügte, Charles innerlich erneut in Wut zu versetzen, doch er ermahnte sich zur Ruhe und erwiderte
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