Liebe und Vergeltung
Gründe, warum er dich verabscheut.“
„Ach, ja? Welche? Hat er sie dir genannt?“ fragte Charles belustigt und lachte leise, als er Saras betretenes Gesicht sah. „Dachte ich es mir doch, daß er dir nichts gesagt hat oder beweisen konnte. Mein Wort steht also gegen seines. Aber hast du je gehört, daß außer ihm jemand meinen guten Ruf besudelt hätte? Dieser Abenteurer muß sich dann irgendwo in Asien an deinen Cousin herangemacht haben und nutzte schamlos die Bekanntschaft mit Alastair aus, um sich Zugang zu unseren Kreisen zu verschaffen. Und nun profitiert er durch die Ehe mit dir.“
„Wenn ich zu wählen hätte, würde ich ihm und nicht dir glauben!“ entgegnete Sara unbeirrt.
„Weshalb hat er sich wohl mit dir vermählt?“ fragte Charles gehässig. „Gewiß nicht deines Aussehens wegen. Und für einen Mann seines Reichtums ist dein Vermögen auch kein Anreiz.“
„Er hat mich geheiratet, weil er mich liebt!“ antwortete Sara fest. Mikahl hatte das zwar nie geäußert, doch im stillen hoffte sie, sich nicht zu täuschen.
„Hat er dir seine Liebe erklärt?“ Verächtlich kräuselte Charles die Lippen. „Nun ja, er versteht es ausgezeichnet, den Leuten nach dem Munde zu reden. Du meine Güte, Sara, du Unschuldslämmchen! Du bist nur deshalb seine Frau, weil er mich nicht bekommen konnte und du gerade bei der Hand warst. Er rechnete damit, daß er mich treffen würde, wenn er uns beide auseinanderbrachte. Doch er hat sich getäuscht. Ich war höchstens in meinem Stolz gekränkt.“
„Ich weiß, daß du nur an meiner gesellschaftlichen Stellung und Mitgift interessiert warst“, stellte Sara in kaltem Ton fest. „Mikahl ist jedoch nicht wie du. Er hat mich weder verführt, noch ist er von Vater zur Ehe mit mir gezwungen worden. Im Gegenteil, es ist ihm nicht leichtgefallen, mein Jawort zu erhalten.“
„Ah, du hattest also bereits Bedenken! Du hättest ihnen nachgeben und den Verrückten nicht zum Gatten nehmen sollen. Aber tröste dich mit dem Gedanken, daß er mit ziemlicher Sicherheit ein Bigamist ist und dich verlassen wird, wenn England den Reiz für ihn verloren hat.“ Krampfhaft umklammerte Charles Saras rechte Hand. „Vor einigen Minuten erwähnte ich, daß er und ich uns vorhin unterhielten. Er hat mich mit den wildesten Drohungen zu erpressen versucht, sein Liebhaber zu werden. Natürlich habe ich ihn abgewiesen. Vor lauter Wut ist er dann mit dir aus dem Ballsaal irgendwohin gegangen und hat vermutlich seine Enttäuschung an dir abreagiert. Es muß ein seltsames Gefühl sein zu wissen, daß man nur Ersatz für fehlgeleitete Gelüste ist!“ Sara fürchtete, ihr würde schlecht werden. Der Magen krampfte sich ihr zusammen, und das Blut rauschte ihr in den Ohren. Ängstlich wartete sie auf das Ende des Tanzes und fragte sich verstört, ob Charles’ infame Anschuldigungen nicht doch ein Körnchen Wahrheit enthielten.
Sie liebte Mikahl, aber sie wußte kaum etwas über seine Vergangenheit und war auch nicht frei von Zweifeln. Die Tatsache, daß Charles vom Vorhandensein der M-förmigen Narbe wußte, war zwar beunruhigend, doch kein Beweis für ein früheres intimes Verhältnis. Unterstellte man diese Behauptung jedoch als wahr, dann konnte die Art, wie Mikahl sich über Charles geäußert hatte, tatsächlich vom Haß eines verschmähten Liebhabers geprägt worden sein.
Mikahl war auch merkwürdig in sich gekehrt gewesen, nachdem Sara das Mal entdeckt hatte. Und später hatte er sie mit einer unbändigen Leidenschaft geliebt, die jetzt fast den Anschein bekam, als hätte er die Erinnerung an Vergangenes in einem Rausch der Begierden ertränken wollen.
Vielleicht hatte er auch heute das Vorzimmer nur deshalb aufgesucht, weil er seiner Verdrossenheit über Charles’ Abfuhr Luft machen wollte? Der Gedanke war furchtbar und ließ plötzlich das zärtliche Beisammensein in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Und noch etwas untergrub unversehens Saras Vertrauen in Mikahl. Charles hatte Gründe für die Hochzeit genannt, die nicht von der Hand zu weisen waren. Mikahl war wirklich nicht auf das Geld seiner Gattin angewiesen und hatte einen höheren gesellschaftlichen Rang als sie. Gewiß, er hatte Verlangen nach ihr, doch Lust war nicht Liebe. Und er hatte ihr nie gesagt, daß er sie liebte. Sara weigerte sich, Charles zu glauben, doch nun erwachte der Verdacht, Mikahl könnte sie in der Tat nur geheiratet haben, weil er sich an Charles rächen wollte, und daß er sie eines Tages
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