Liebe und Vergeltung
Ganz gleich, was geschieht, er wird sich für seine Verbrechen vor der Justiz verantworten müssen.“ Es tat Michael leid, daß der langjährige Gefährte so betroffen wirkte. „Machen Sie kein so finsteres Gesicht“, fuhr er besänftigend fort. „Weldon ist nicht unbesiegbar, nicht einmal, wenn seine brutalen Schläger ihm helfen. Vielleicht haben wir Glück, und er spürt Sie niemals auf. Und sollte er es, ist es nicht gesagt, daß er Sie wirklich umbringen läßt. Ich lege nur Wert darauf, für alle Fälle Vorsorge zu treffen.“
„Ich hoffe, diese Geschichte nimmt für uns kein bitteres Ende“, murmelte Benjamin Slade beklommen.
„Das hoffe ich auch“, stimmte Michael ihm zu. Er stand auf, verabschiedete sich und verließ das Haus, in Gedanken damit beschäftigt, welche Vorsichtsmaßnahmen noch zu treffen wären.
Unbemerkt von ihm löste sich auf der anderen Straßenseite ein unscheinbar aussehender Mann aus dem Schatten eines Torbogens und folgte unauffällig dem Prinzen. Es war ein Kinderspiel gewesen, vom Inhaber der Bäckerei zu erfahren, wer in dem Haus lebte, aus dem Michael Connery alias Mikahl Khanauri, Prinz Balagrini, gekommen war.
Am frühen Nachmittag erhielt Sir Charles Weldon einen Bericht über den Besuch, den der Prinz morgens in Westminster abgestattet hatte.
William Kane informierte den Baronet über die Identität des Hausbesitzers und zog im Laufe des Tages diskret weitere Erkundigungen über Benjamin Slade ein.
Die gewonnenen Erkenntnisse ergaben, daß der Anwalt zweifellos für Michael Connery als Handlungsbevollmächtigter arbeitete. Für jemanden, der kaum in der Öffentlichkeit tätig war und die Geschäfte von seinem häuslichen Arbeitszimmer aus führte, hatte er sogar einen ausgesprochen guten Ruf in der Geschäftswelt, der fast an Bewunderung grenzte.
Vergnügt rieb Charles sich die Hände. Mehr und mehr fügte das Bild sich zu einem Ganzen. Das Glück hatte ihn also doch nicht ganz verlassen.
In höchstens einer Woche konnte er das Problem Michael Connery zu den Akten legen, dieses anmaßenden Dummkopfes, der gewagt hatte, sich gegen ihn zu stellen.
Nachts wurde Benjamin von Geräuschen aus dem Schlaf gerissen. Rasch sprang er aus dem Bett, schlüpfte in einen seidenen Morgenmantel und hastete in den Korridor.
Schüsse hallten durch das Haus, und aus dem Parterre drang Brandgeruch herauf.
Die Treppe hinuntereilend, hörte er Gepolter im Arbeitszimmer und sah beim Näherkommen rötlich zuckendes Licht durch die offene Tür fallen. Entsetzt rannte er in den Raum.
Die Portieren standen in hellen Flammen, und eines der Fenster war weit geöffnet. Die beiden Wachen waren emsig damit beschäftigt, die Vorhänge herunterzureißen und das Feuer zu ersticken.
Benjamin half den Männern, und der Brand war schnell gelöscht. Erleichtert stellte Benjamin fest, daß kein großer Schaden entstanden war.
Die Leibwächter berichteten, das Klirren einer zerberstenden Fensterscheibe hätte sie auf die Eindringlinge aufmerksam gemacht. Sie wären sofort zum Arbeitszimmer gelaufen und hätten zwei Männer überrascht, die mit ölgetränkten Stoffetzen das Haus in Brand setzen wollten. Auf der Flucht wäre einer der beiden angeschossen worden.
Bestürzt blickte Benjamin auf die Blutspur, die sich über den Boden zum Fenstersims zog, wies einen der Leibwächter an, im Raum zu bleiben, und begab sich wieder zu Bett.
In der Frühe schickte er Prinz Balagrini ein Billett mit der Schilderung des Vorfalles. Der Prinz traf kurz nach dem Lunch ein, begleitet von Miss Miller.
Mit ängstlicher Miene lief sie zu Mr. Slade und umarmte ihn.
„Als sie hörte, Sie hätten mir eine dringende Nachricht übersandt“, erklärte Michael lächelnd, „quälte sie mich so lange, bis ich ihr den Inhalt mitteilte. Und dann bestand sie darauf, mit mir zu kommen.“
„Ist Ihnen auch nichts geschehen, Mr. Slade?“ fragte Jenny bang und schaute ihn besorgt an.
„Nein, mir geht es gut“, versicherte er und bewunderte im stillen, wie hübsch sie in dem eleganten Kleid war, das sie gewiß von Lady Sara erhalten hatte. In dieser Aufmachung hätte sie sich überall sehen lassen können. Widerstrebend befreite er sich von ihren Armen, schaute den Prinzen an und fragte ruhig: „Möchten Sie unter vier Augen mit mir sprechen, Sir?“
„Nein, Jenny kann dabeisein. Sie würde ja doch nur an der Tür lauschen, falls wir sie fortschicken“, antwortete Michael trocken.
„Ja, ich hätte keine Hemmungen“,
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