Liebe und Vergeltung
gab sie trotzig zu, folgte den Herren in den Salon und setzte sich neben Benjamin Slade auf das Sofa. Dann ergriff sie seine Hand und drückte sie aufmunternd.
„Packen Sie alles Notwendige, schließen Sie das Haus ab und kommen Sie zu uns nach Sulgrave“, sagte Michael ernst. „Dort sind Sie in den nächsten Tagen sicherer. Die Sache zwischen mir und Weldon wird ohnehin bald erledigt sein.“
„Mir wäre es lieber, die Wachen blieben hier,“ erwiderte Benjamin stirnrunzelnd. „Ich möchte vermieden wissen, daß man noch einmal versucht, das Haus in Brand zu stecken.“
„Gut, aber reisen Sie so auffällig ab, daß jeder es sieht“, willigte Michael ein. „Dann müssen wir keinen neuen Anschlag befürchten.“
„Wie ist es Sir Charles gelungen, mich so schnell ausfindig zu machen?“
„Wahrscheinlich hat er mich gestern morgen beschatten lassen“, antwortete Michael achselzuckend. „Ich hatte angenommen, daß ich noch nicht bespitzelt würde, und bin deshalb so zeitig hergekommen. Aber er hatte offenbar doch die Möglichkeit, Beobachter auf mich anzusetzen. Mir scheint, ich habe ihn unterschätzt.“
„Machen Sie sich keine Gedanken, Sir“, beschwichtigte ihn Benjamin. „Die Leibwächter haben ja dafür gesorgt, daß es nicht zu einer Katastrophe kam.“
„Gewiß“, räumte Michael ein. „Noch war ich Weldon einen Schritt voraus, aber wer weiß, wie es beim nächsten Mal sein wird? Ich will nicht, daß meine Freunde zu leiden haben, nur weil ich unbesonnen war.“
„Sind wir Freunde? Ich dachte,h sei Ihr Angestellter, Sir.“ „Hätten Sie denn all die eigenartigen und manchmal zwielichtigen Geschäfte für mich abgewickelt, Benjamin, wenn es Ihnen nur um das Honorar gegangen wäre?“
„Nein.“
„Sehen Sie, das hatte ich angenommen.“ Michael zögerte, da es ihm schwerfiel, Gefühle in Worte zu fassen. „Ich schätze Sie sehr, Benjamin“, bekannte er verlegen, „und möchte nicht, daß Ihnen etwas zustößt.“
„Danke“, sagte der Anwalt überrascht. „Das freut mich zu hören. Mein Leben ist sehr viel interessanter geworden, seit ich Sie kenne, Sir“, fügte er mit einem warmherzigen Blick auf Jane Miller hinzu.
„Die Chinesen haben einen merkwürdigen Fluch“, erwiderte Michael und lächelte flüchtig. „Er lautet: ,Mögest du in interessanten Zeiten leben“. Ich hoffe nicht, daß Sie eines Tages zu der Einsicht gelangen, die Begegnung mit mir wäre ein Fluch gewesen.“
25. KAPITEL
Lady Sara hieß Benjamin Slade als Gast in Sulgave Manor willkommen, ohne Fragen zu stellen.
Beeindruckt fand er, sie hätte die richtige Einstellung für einen Mann wie Prinz Balagrini, der stets für Überraschungen gut war.
Der Butler wies ihm eine Suite im rechten Seitenflügel an, und gleich nach dem Dinner entschuldigte Benjamin sich mit dem Bemerken, er wolle die Dinge aufarbeiten, mit denen er durch den Brand in seinem früheren Arbeitszimmer und den Umzug hierher in Verzug geraten war.
Er begab sich zu seinen Räumen, brachte die benötigten Unterlagen in den neben dem Schlafgemach gelegenen Salon und widmete sich den geschäftlichen Angelegenheiten.
Einige Zeit später schreckte ihn leises Klopfen auf. In der Annahme, Prinz Balagrini wollte ihn sprechen, forderte er den Besucher zum Eintreten auf und war erstaunt, als Miss Miller mit einem Tablett in den Salon kam.
„Möchten Sie ein Täßchen Tee, Mr. Slade?“ fragte sie unsicher.
Er lächelte erfreut. „Sie hätten nicht herkommen sollen“, antwortete er und stand auf. „Es schickt sich nicht. Lady Sara wäre gewiß nicht damit einverstanden.“
„Sie erfährt es ja nicht“, erwiderte Jenny, setzte das Tablett ab und schenkte zwei Tassen Tee ein. „Sie hat mich für den Abend entlassen und hat ohnehin nur Augen für ihren Gemahl.“
„Die beiden sind glücklich miteinander?“ erkundigte sich Benjamin und wies einladend auf einen Sessel.
Jenny nickte, nahm Platz und reichte Mr. Slade eine Tasse. „Ja“, sagte sie überzeugt, „zwischen ihnen besteht eine wun-derbare Harmonie. So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber ich finde, Seine Hoheit sollte Lady Sara erzählen, was vorgeht. Ich glaube, sie weiß es gar nicht. Schließlich ist ja auch sie davon betroffen.“
„Ich begreife, warum er sie nicht ins Vertrauen zieht. Wahrscheinlich wird außer ihm und Sir Charles Weldon nie jemand das ganze Ausmaß dieser Geschichte erfahren. Mich hat Seine Hoheit jedenfalls nicht in vollem Umfang
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