Liebe und Vergeltung
abgelegt hatte.
Ärgerlich versetzte sie dem Hindernis einen Tritt.
Es rollte ein Stückchen weiter; der Rand des Teppichs blieb liegen und enthüllte einen riesigen Blutfleck.
Entsetzt auf die eingetrocknete rote Lache starrend, kreischte Fanny auf und schrie dann aus Leibeskräften um Hilfe.
Im Nu strömten von allen Seiten die Bediensteten herbei.
Fanny verstummte und wies starr vor Schreck auf das Bündel.
Der Butler und ein Lakai faßten sich ein Herz, ergriffen die Ecken des Teppichs und entrollten ihn.
Wieder brach Fanny in gellendes Gekreisch aus, und die anderen Dienstmädchen schrien ebenfalls vor Grausen auf.
Auf dem Teppich lag William Kanes Leiche.
Angelockt von dem Lärm, hatte Charles sich neugierig zum Dienstboteneingang begeben, drängte sich durch die wild gestikulierende und aufgeregte Schar der Domestiken und starrte schockiert auf den Leichnam seines Sekretäres. Nun wußte er, warum Kane abends nicht aus Surrey zurückgekommen war.
„Was ist denn geschehen, Papa?“ rief Eliza und versuchte, sich an den verstörten Dienern vorbeizuzwängen. „Warum jammert Fanny so laut?“
Hastig drehte er sich um, nahm seiner Tochter die Sicht auf den Toten und sagte beschwichtigend: „Jemand hatte einen Unfall, mein Schatz. Der Anblick ist nichts für deine Augen.“
Beklommen überlegte er auf dem Wege zur Halle, wie es möglich sein konnte, daß Kane entdeckt und erstochen worden war. William, der sonst so umsichtig und gerissen war, mußte bei der Erkundung des Geländes um Sulgrave Manor unvorsichtig gewesen sein.
Charles übergab Elizabeth der Obhut der Haushälterin und zog sich wieder in sein Schlafzimmer zurück. Vor Wut die Hände ballend, ging er zum Fenster und schaute verbissen auf die Straße. Wer immer Kanes Leiche ins Haus geschafft hatte, die Tatsache allein, daß es gelungen war, bewies, wie gefährlich die Situation wurde, vor allem für Elizabeth. Was würde Michael Connery als nächstes einfallen? Würde er sich jetzt noch an das Abkommen halten, das Mädchen nicht tätlich anzugreifen?
Charles bezweifelte es und beschloß, kein Risiko einzugehen. Die einzige Lösung, die Tochter einigermaßen in Sicherheit zu wissen, bestand darin, sie erneut zu Desmond und dessen Gattin zu bringen. Und dort mußte sie bleiben, bis Connery endlich aus dem Wege geräumt war.
Michael wurde wach und streckte die Hand nach Sara aus. Überrascht merkte er, daß sie nicht im Bett war, schlug die Augen auf und blinzelte gegen das helle Licht an. Offenbar hatte er länger als beabsichtigt geschlafen, und Sara war bereits aufgestanden.
Er stand auf, schlüpfte in seine Robe de chambre und zog die Fenstervorhänge fort. Strahlender Sonnenschein flutete durch die Scheiben. Michael gähnte, reckte sich wohlig und begab sich in das von Sara benutzte Ankleidekabinett. Falls sie noch dort war, gelang es ihm vielleicht, sie zu überreden, wieder ins Bett zu kommen.
Der Raum war leer, und Michael wollte eben ins Schlafge-
mach zurückkehren, als er aus dem Augenwinkel auf dem Table de toilette ein Couvert wahrnahm. Verwundert ging er zum Tisch, nahm den Umschlag an sich und hatte jäh ein ungutes Gefühl.
Er öffnete den Brief und zog das Blatt Papier heraus. Beim Entfalten fiel ein Gegenstand zu Boden, doch Michael achtete nicht darauf. Fassungslos starrte er auf die Zeilen, die Sara ihm geschrieben hatte.
Michael, Leidenschaft allein ist keine Grundlage für eine Ehe. Blinde Liebe auch nicht. Ich wünschte, Du oder ich hätten einen anderen Charakter. Möge Gott Dich schützen und Dir Frieden geben.
In Liebe, Sara.
Ungläubig las Michael den Brief ein zweites Mal, ehe er sich umschaute und den heruntergefallenen Gegenstand suchte. Gold blitzte in der Sonne auf, und sich bückend hob er Saras Ehering auf.
Jäh begriff er, daß Sara nicht anderen Sinnes geworden war und ihre Tränen keineswegs bedeuteten, daß sie eingelenkt hatte. Nein, sie hatte geweint, weil sie in diesem Augenblick der letzten glühenden Vereinigung innerlich Abschied nahm.
Ein Brüllen riß Alastair aus dem Schlaf. Er schreckte hoch, schwang sich aus dem Bett und suchte mit schmerzverzerrtem Gesicht Halt an der schmalen, neben dem Kopfende stehenden Kommode. Verwirrt fragte er sich, wo er wäre, bis er sich plötzlich erinnerte. Er war angeschossen und von Michael versorgt und auf ein Pferd gehoben worden. Sara hatte mit ihm gesprochen. Er mußte sich in Sulgrave Manor befinden.
Lautes Getöse war zu vernehmen, und er
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