Liebe und Vergeltung
jetzigen Verfassung gewiß nicht schaffen“, stimmte Alastair matt zu. „Und so dumm, mich in deine Schwierigkeiten mit Sara einzumischen, bin ich auch nicht. Niemand behauptet, die Ehe sei eine unkomplizierte Angelegenheit, doch die meisten Probleme lassen sich lösen.“
„Die Kluft, die zwischen mir und Sara besteht, ist nicht überbrückbar“, widersprach Michael düster. „Du hast einmal geäußert, bei mir heilige der Zweck stets die Mittel, und Sara folge dem Grundsatz von Gut und Böse. Genau das ist der springende Punkt unserer Mißstimmigkeiten. Ich bezweifele, daß er sich je ausräumen lassen wird.“
„Ich habe dich gewarnt“, murmelte Alastair vorwurfsvoll. „Schon als Kind hat Sara viel Gefallen an den religiösen Grundsätzen der Methodisten gefunden. Sie lauten, man solle allen Menschen nur Gutes tun, auf jede erdenkliche Art und Weise, überall und zu jeder Stunde und so lange es möglich ist.“
„Wenn das Saras Lebensauffassung ist, sehe ich keine Möglichkeit, daß wir je einer Meinung sein werden“, erwiderte Michael kühl.
„Du könntest es zumindest versuchen, dich ihren Ansichten zu nähern.“
„Kein Mensch kann so hohen Idealen gerecht werden!“
„Warum bist du nicht kompromißbereit? Ich vermute, Sara ist über die augenblickliche Lage der Dinge genauso unglücklich wie du.“
„Ich bin nicht unglücklich!“ wehrte sich Michael in scharfem Ton. „Und ich brauche keine zimperliche, überempfindliche und moralisierende Frau in meinem Leben!“
Sehr überzeugend fand Alastair die Antwort nicht, enthielt sich indes eines Kommentares. Die Augen schließend, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, daß Sara und Michael eines Tages doch zu ihrer beider Bestem zueinanderfinden würden.
Michael verließ das Krankenzimmer und erkundigte sich, wann und wie seine Gattin Sulgrave Manor verlassen hätte. Es erleichterte ihn zu hören, daß Jenny mit ihr gefahren war und darauf bestanden hatte, von zwei Leibwächtern begleitet zu werden. Offenbar hatte sie die Gefahr erkannt und genügend Geistesgegenwart bewiesen, für die Sicherheit der Herrin zu sorgen.
Michael begab sich zum Frühstück ins Morgenzimmer und wurde unter vielen Entschuldigungen von Gates gestört, der ihm die Ankunft eines Advokaten meldete. Erstaunt ließ Michael den Besucher zu sich bitten und bekam eine Bankanweisung ausgehändigt, die auf den ihm von Weldon geschuldeten Betrag ausgestellt war. Der Anwalt verabschiedete sich höflich, und erst jetzt fiel Michael auf, daß der Fälligkeitstag der Schuldscheine gekommen war. Nun war Weldon vor dem Gefängnis in der Fleet Street sicher.
Der Zahlungsanweisung lag ein Billett von Weldons Hand bei, dem Michael entnahm, daß der Duke of Haddonfield mit Vergnügen die betreffende Summe bereitgestellt hätte, um die Machenschaften seines Schwiegersohnes gegen einen ehrbaren englischen Gentleman zu durchkreuzen.
Michael erkannte sofort, die Zeilen sollten ihn reizen, doch die Sache war so durchsichtig, daß er nur achtlos mit den Schultern zuckte. Er hielt den Gegenwert von achtzigtausend Pfund in der Hand; Weldon hatte Kanes Leiche. Der Handel war eindeutig zu Michaels Gunsten ausgefallen.
Michael beendete das Frühstück, ließ Benjamin Slade rufen und übergab ihm den Scheck. Dann ging er zu den Stallungen und ließ sich ein Pferd satteln. Schiwa war zwar nicht ernsthaft verletzt worden, doch er wollte ihm noch Ruhe gönnen. Aber er hatte das Bedürfnis nach einem scharfen Ritt, um den Kopf zu klären und mit sich ins reine zu kommen.
Er war sicher, daß der Vorfall vom Tage vorher sich nicht wiederholen würde. Weldon selbst quälte und peinigte nur Schwächere und setzte stets Handlanger ein, wenn es galt, Stärkere anzugreifen. Nun fehlte ihm Kane, und es würde eine Weile dauern, bis er Ersatz gefunden hatte. Erst dann drohte wohl neue Gefahr. Dennoch beobachtete Michael wachsam die Umgebung, während er auf dem Grauschimmel durch die Felder preschte.
Es faßte noch immer nicht, daß Sara ihn verlassen hatte. Erst vor wenigen Tagen waren sie gemeinsam zu einem Picknick in die Hügel ausgeritten und hatten herrliche Stunden miteinander verlebt. Verbissen redete er sich ein, Sara nicht zu brauchen. Er würde auch ohne sie leben können. Er hatte viel Schlimmeres überstanden als die Trennung von einer Frau.
Auf der Kuppe einer Anhöhe hielt er den Hengst an und schaute über die Wiesen, Felder und die zwischen den Hügeln eingebetteten Dörfer. Surrey war
Weitere Kostenlose Bücher