Liebe und Vergeltung
Samtpolster der Equipage und schloß die Augen.
„Mir scheint, du hast dich gut unterhalten“, bemerkte der Baronet, nachdem der Wagen angefahren war. „Ich wußte nicht, daß du mit dem verkrüppelten Bein tanzen kannst.“ Sara war viel zu sehr mit sich und der Welt zufrieden, um sich über die taktlose Äußerung zu ärgern. „Auch i ch hatte es mir nicht zugetraut“, erwiderte sie schläfrig. „Prinz Balagrini hat mich dazu überredet.“
„Ach ja, der Prinz!“ sagte Charles unwirsch. „Mir ist nicht entgangen, wie lange du mit ihm auf dem Altan allein gewesen bist. Dein Verhalten überrascht mich sehr, Sara.“
Sie war es nicht gewohnt, kritisiert zu werden, und das Gefühl, nicht ganz schuldlos zu sein, machte sie reizbar. „Es war reiner Zufall, daß wir uns dort begegnet sind“, wehrte sie sich gekränkt, schlug die Lider auf und sah den Verlobten erbost an. „Oder glaubst du etwa, ich hätte mich absichtlich mit Seiner Hoheit dort getroffen?“
„Nein“, versicherte Charles und wunderte sich über ihre heftige Reaktion. „Ich weiß, daß du dir nie etwas zuschulden kommen lassen würdest. Aber du solltest jeden Anschein eines zweideutigen Benehmens meiden! Schließlich ist der Prinz Ausländer und hat vollkommen andere Moralvorstellungen als wir.“
„Du hast doch vorgeschlagen, daß ich die Bekanntschaft mit ihm pflege“, entgegnete Sara frostig. „Willst du plötzlich nicht mehr in Geschäftsbeziehung zu ihm treten?“ „Selbstverständlich will ich das! Gestern abend beim Souper habe ich ihm einen Vorschlag unterbreitet, der ihn sehr interessierte. Ich hoffe, daß er sich an einem vielversprechenden Unternehmen beteiligt.“ Charles räusperte sich und fügte stirnrunzelnd hinzu: „Mir sind jedoch Dinge über ihn zu Ohren gekommen, die erkennen lassen, daß er für eine anständige Dame ein äußerst ungeeigneter Begleiter ist.“
„Wirklich? Was hast du denn über ihn gehört?“ fragte Sara neugierig.
„Ich möchte dir die Einzelheiten ersparen“, antwortete Charles steif. „Aber ich versichere dir, daß du dich hüten solltest, mit ihm allein zu sein.“
„Er hat sich einwandfrei betragen“, sagte Sara ärgerlich. „Falls du dich nicht präziser ausdrücken kannst oder willst, denke ich nicht daran, die Bekanntschaft mit ihm abzubrechen!“
„Von meiner Gattin erwarte ich, daß sie sich nicht gegen mich auflehnt!“ brauste Charles auf.
„Noch sind wir nicht verheiratet“, erwiderte Sara und begriff nicht, warum er sich über einen so nichtigen Anlaß derart erregte. „Und wenn du solch unvernünftige Ansichten vertrittst, ist es vielleicht besser, unsere Hochzeit noch einmal zu überdenken.“
„Nein!“ widersprach Charles scharf und fluchte verhalten. „Entschuldige, Sara“, fuhr er beherrschter fort. „Ich will nicht halsstarrig wirken, aber Asiaten haben einen grundlegend verschiedenen Sittenkodex. Sie glauben, eine Dame in ihrer Würde als Frau nicht respektieren zu müssen, weil sie in Gesellschaft anders auftritt, als die Männer es von ihren Weibern gewohnt sind, die in ständiger Abgeschiedenheit leben. Ich leugne nicht, daß Prinz Balagrini ein kultivierter Mensch ist, befürchte jedoch, er wird dein souveränes Verhalten mißverstehen und denken, er könne sich Freiheiten bei dir gestatten.“ Charles ergriff die Hand seiner Verlobten und sagte weich: „Du bedeutest mir sehr viel, meine Liebe! Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß Seine Hoheit dich in irgendeiner Form belästigt.“
Schweigend ließ Sara den Baronet gewähren und fragte sich, ob Prinz Balagrini wirklich nur einen flüchtigen Zeitvertreib in ihr sah. Die Möglichkeit war nicht sehr schmeichelhaft, und unwillkürlich preßte sie die Lippen zusammen. Aber der Prinz hatte sie nicht geküßt, weil er sie für ein loses Frauenzimmer hielt. Sie hatte ihn dazu ermutigt. Und letztlich konnte es ihr gleich sein, was Seine Hoheit von ihr dachte. Er war nur ein Bekannter, der bald aus ihrem Leben verschwunden sein würde.
Viel wichtiger war ihr, ob sie sich mit Sir Charles Weldon
vermählen sollte. Der Vater legte großen Wert auf diese Verbindung und hatte Sara gedrängt, den Heiratsantrag des Baronet anzunehmen. Wenn sie die Verlobung lösen wollte, war jetzt der richtige Moment, ehe die Einladungen zur Hochzeit verschickt und die notwendigen Vorbereitungen getroffen wurden. Aber ihr behagte nicht, daß Charles bei ihr Willfährigkeit voraussetzte, sobald sie seine Gattin war.
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