Liebe und Vergeltung
ihn kennenIernen! Eigentlich war es absurd, daß er sich des Prinzen wegen mit ihr gestritten hatte. Er wußte genau, daß jemand wie sie sich niemals mit einem Halbwilden in eine verfängliche Situation begeben würde. Während der Fahrt zu den Bordellen hatte Prinz Balagrini deutlich gezeigt, welch niedriger Gesinnung er war. Wahrscheinlich war er nicht einmal der vornehmen Abstammung, die zu haben er vorgab. Ein englischer Gentleman würde nie auf den Gedanken kommen, seiner Gattin Dinge zuzumuten, die er bei einer Dirne als selbstverständlich voraussetzte. Gott mochte der Frau beistehen, die eines Tages die Gemahlin dieses Scheusales wurde. Sie würde sich in der Rolle einer Hure wiederfinden!
Und wie konnte Carlisle seiner Cousine einen solchen Menschen vorstellen? Charles schüttelte den Kopf. Der zukünftige Schwager hatte einen schlechten Einfluß auf Sara. Nach der Hochzeit mußte die Freundschaft zwischen beiden sehr eingeschränkt werden. Ganz unterbunden werden konnte sie nicht, denn immerhin war Carlisle der jüngere Sohn des Duke of Windermere. Aber er sollte spüren, daß er bei den Weldons unerwünscht war.
Charles zog das Taschentuch aus dem Frackjackett und wischte sich die feuchte Stirn ab. Er war viel zu erregt und würde nicht schlafen können. Rasch öffnete er das kleine Schiebefenster und rief dem Kutscher zu, er sollte ihn nach Soho zu Mrs. Bancroft fahren. Sie hatte in ihrem Bordell sehr junge Zwillinge, einen Knaben und ein Mädchen, die beide sehr reizvoll waren. Sie sollten dafür büßen, daß Sara sich so aufsässig benommen hatte.
Charles lächelte bei dem Gedanken, wie er den Abend beenden würde.
7. KAPITEL
Noch vor dem Ball hatte Mikahl mit seinem Diener Kuram die Umgebung von Mrs. Bancrofts Etablissement erkundet, damit er nachts nicht die Orientierung verlor. Kuram hatte auch den Auftrag bekommen, eine unauffällige Kutsche zu besorgen. Nur dem prüfenden Blick eines aufmerksamen Beobachters wäre aufgefallen, daß die beiden Pferde keine Droschkengäule waren.
Mikahl kehrte ins Clarendon Hotel zurück, legte die Abendkleidung ab und ließ sich von Kuram in einen braunen Gehrock, dunkle Gamaschenhosen und eine schwarze Pelerine helfen. Nachdem er in dem von seinem Diener kutschierten Wagen Platz genommen hatte, lehnte er sich zurück und dachte an Lady Sara St. James. Mehr als jede Frau, die seinen Weg gekreuzt hatte, war sie ständig für eine Überraschung gut. Sie war nicht nur klug, beherzt und mutig, sondern auch freimütig und aufrichtig. Das würde es ihm leicht machen, sie zu beeinflussen. Von Natur aus ehrliche Menschen konnten sich in den seltensten Fällen vorstellen, daß andere verschlagen und hinterlistig waren.
Unwillkürlich grübelte Mikahl über den vergangenen Abend nach. Als Sara den Kuß erwiderte, hatte er gemerkt, daß sich hinter ihrer Fassade der Unschuld und züchtigen Sittsamkeit ein sinnliches, leidenschaftliches Wesen verbarg. Er wußte, daß seine Ausstrahlung Frauen sehr schnell dazu brachte, den Widerstand aufzugeben und sich seinen Wünschen zu fügen. In diesem Punkt stellte Sara keine Ausnahme dar. Wäre er mit ihr allein gewesen, hätte er gewiß nicht darauf verzichtet, seine Bemühungen um sie fortzusetzen. Er war sicher, daß sie ihr anfängliches Sträuben schon sehr bald eingestellt hätte.
Es war für ihn eine ganz besonders reizvolle Herausforderung, die Hochzeit zwischen ihr und seinem Feind zu verhindern, ohne der einen Seite weh zu tun, die andere jedoch zum Gespött der Leute zu machen. Er hatte Alastair versprochen, Sara nicht zu schaden, und nun wollte auch er nicht, daß sie unter seinem Racheplan litt. Trotzdem würde es sich kaum vermeiden lassen, daß sie in ihren Gefühlen verletzt wurde. Angesichts der Erniedrigungen, die ihr in der Ehe mit Weldon bevorstanden, war das jedoch das kleinere Übel.
Rumpelnd kam die Droschke zum Halten. Mikahl schlang das vorbereitete Seil um die Schulter und stieg aus. Der Wagen stand kurz vor dem Eingang zur Gasse im Dunkel der benachbarten Gebäude. Vorsichtig huschte Mikahl an den Häusern entlang. Die Straße war leer, doch von der anderen Seite drang lautes Gelächter aus einer Schenke.
Das Licht des Mondes fiel auf den oberen Teil des Bordelles und erleichterte es Mikahl, die Fenster zu zählen. Er nahm den Beutel mit den Kieseln, die Kuram ihm besorgt hatte, und schleuderte ein Steinchen gegen die schmutzige Scheibe von Jane Millers Zimmer. Da sich nichts regte, warf er ein
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