Liebe und Vergeltung
können wir das Unternehmen in eine ernste finanzielle Krise stürzen.“ Er stand auf, schlenderte zum Fenster und schaute hinaus. „Und noch etwas, Mr. Slade. Haben Sie erreichen können, daß Weldon nicht zum Baron ernannt wird?“
„Ich habe alles in die Wege geleitet und mehreren prominenten Regierungsmitgliedern Dossiers zugestellt, die zwar nicht alle, aber doch die meisten Verbrechen des Baronets in glaubhaften Einzelheiten schildern. Ich bezweifele, daß der Inhalt je an die Öffentlichkeit dringen wird“, fügte der Anwalt lächelnd hinzu, „bin mir jedoch ziemlich sicher, daß die nächste der Königin unterbreitete Vorschlagsliste für Ehrungen Weldons Namen nicht enthält und daß er auch nie mehr dort aufgeführt werden wird. Sollte er herauszufinden versuchen, warum er übergangen wurde, wird er nur höflich ausweichende Antworten bekommen. Englische Politiker sind Meister im Vertuschen von Hintergründen.“
Mikahl drehte sich um und lachte schallend. „Sie sind fabel-haft! Sind Sie eigentlich mit Ihrem Honorar zufrieden?“
„Ich finde, ich bin überzahlt“, stellte Benjamin schmunzelnd fest. „Das sage ich Ihnen heute ja nicht zum ersten Mal. Sie haben wirklich kein Gefühl für Geld.“
„Sie hingegen für uns beide“, erwiderte Mikahl lächelnd. „Manchmal übertreiben Sie sogar. Haben Sie denn nie begriffen, daß Reichtum nur Mittel zum Zweck ist und nicht allein selig macht?“
Unversehens fiel Benjamin Miss Miller ein, deren Liebesdienste jahrelang gegen Geld zu haben gewesen waren. Doch das, was er sich von ihr wünschte, war um keinen Preis der Welt zu bekommen. „Mit Geld kann man sich das Glück sicherlich nicht kaufen“, erwiderte er schroff, „aber dazu beitragen, Elend erträglicher zu gestalten. Gibt es noch etwas, das Sie gern heute mit mir besprochen hätten?“
Verwundert schaute Mikahl den Anwalt an. Offenbar hatte er mit seiner Bemerkung bei Benjamin Slade einen wunden Punkt getroffen. Er konnte sich zwar nicht erklären, warum der Anwalt plötzlich so scharf reagierte, aber Slade, der so hervorragend Informationen zu beschaffen verstand, äußerte sich ja nie zu persönlichen Dingen. Wahrscheinlich hatte er gar kein Privatleben. „Nein, wir haben alles erledigt, was ich wissen wollte“, antwortete er achselzuckend. „Vielen Dank, daß Sie sich herbemüht haben.“
Mr. Slade nickte, nahm die Brille ab und steckte sie in das Futteral. Nachdem er es in die Innentasche des Gehrocks geschoben hatte, klappte er das Portefeuille zu, stand auf und verabschiedete sich.
Nachdem der Anwalt gegangen war, nahm Mikahl wieder am Schreibtisch Platz, sehr zufrieden mit der Entwicklung der Dinge. Stück für Stück zog das Netz sich um den Gegner zusammen. Bedauerlich war nur, daß er nicht zusehen konnte, wenn Weldon das volle Ausmaß seines finanziellen Ruins erkannte.
Mit einem kleinen Schlüssel, den er stets bei sich trug, schloß er die oberste Schublade des Bureaus auf und entnahm ihr sein privates Dossier über Sir Charles Weldon, in dem er gleich nach der Ankunft in England begonnen hatte, alles in Stichworten zu notieren, was für seinen Feind von großer Bedeutung war.
In der linken Spalte hatte er folgende Punkte vermerkt: Vermögen, Persönlicher Ruf, Gesellschaftliches und Geschäftliches Ansehen, Eisenbahngesellschaft, Lady Sara St. James, Baronie, Elizabeth Weldon, Weldons Tod.
Mikahl strich das Wort „Vermögen“ durch und vermerkte: „Persönliches Vermögen verloren; Bankrott der L & S bedeutet vollständigen Ruin“. Hinter „Geschäftliches Ansehen“ schrieb er: „Schwindet“. Er wußte, die ersten Gerüchte über Sir Charles Zahlungsschwierigkeiten waren bereits im Umlauf, und nach dem Zusammenbruch der L & S würde der Baronet in Finanzkreisen kein Thema mehr sein.
Hinter der Eintragung „Persönlicher Ruf" notierte er: „Zeitungsenthüllungen?“ Vielleicht war es eine gute Idee, Sir Charles gezielt bloßzustellen. Ein ehrgeiziger Journalist, der begierig darauf war, sich in den Vordergrund zu spielen, würde sich mit Freuden auf die Geschichte von Weldons Lastern stürzen. Sobald die ersten Veröffentlichungen erschienen, waren der Ruf und das gesellschaftliche Ansehen des Baronets gleichermaßen ruiniert.
Neben Saras Namen malte Mikahl ein Sternchen. Sie war der größte Erfolg, den er bisher zu verzeichnen hatte. Allein die Tatsache, daß ihre Verlobung mit Weldon gelöst worden war, hätte Mikahl genügt. Natürlich war es besser,
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