Liebe und Verrat - 2
Zeichen trägt. Die Prophezeiung bestimmt, dass die Schlüssel, zu denen Sonia und Luisa gehören, mit der Jormungand gezeichnet sind und am 1. November 1874 um Mitternacht in der Nähe der englischen Stadt Avebury geboren wurden. Fast siebzehn Jahre sind seit der Geburt der Schlüssel vergangen und die schlampige Führung der Gemeinderegister in den kleinen Dörfern Englands erschwert unsere Suche zusätzlich.
Helene kann überall sein. Vielleicht ist sie sogar tot.
Ich will Philip Mut zusprechen: »Vielleicht sollten wir froh sein. Wenn es so leicht wäre, könnte es gut sein, dass jemand sie vor uns findet.« Er lächelt mit einem Anflug von Dankbarkeit, und ich fahre fort: »Ich habe keinen Zweifel, dass wir schon sehr bald wieder ihre Fährte aufnehmen werden.«
Er seufzt und nickt. »An Hinweisen mangelt es nicht, aber oft stellt sich heraus, dass es sich um einfache Muttermale, alte Narben oder Brandwunden handelt. Ich werde mir ein paar Tage Zeit nehmen und die jüngsten Berichte durchsehen und sie sortieren, ehe ich mich wieder auf den Weg mache.« Seine Augen zucken zur Tür der Bibliothek, ehe er mich wieder anschaut. »Was ist mit Ihnen? Haben Sie irgendwelche Neuigkeiten?«
Meine Stimmung verdüstert sich augenblicklich. Es ist kaum vorstellbar, dass Tante Abigail und die Grigori Alices Manipulationen und ihre Übertretung der Regeln nicht bemerkt haben. Und somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis man mich nach Altus beruft, um die Seiten zurückzuholen, ehe Alice noch stärker wird.
Ich schüttele den Kopf. »Aber möglicherweise werde ich selbst bald eine Reise antreten.«
Er richtet sich auf. »Eine Reise? Aber Sie wollen doch wohl nicht alleine reisen!«
»Ich fürchte doch. Nun, Sonia wird mich wahrscheinlich begleiten, und ich denke, dass wir auch einen Führer brauchen, aber abgesehen davon, werde ich tatsächlich allein sein.«
»Aber … wohin wollen Sie reisen? Wie lange werden Sie fort sein?«
Es passiert nicht oft, dass ich etwas Wichtiges vor Philip geheim halten muss. Philip, den mein Vater vor seinem Tod beauftragte, weiß mehr über die Prophezeiung als sonst jemand außerhalb der Society, abgesehen vielleicht von Edmund, unserem Kutscher in New York. Aber trotzdem habe ich Philip aus Rücksicht auf seine Sicherheit – und meine eigene – etliche Details verschwiegen. Die Seelen sind heimtückisch und ihre Macht ist unermesslich. Es ist durchaus denkbar, dass sie einen Weg finden könnten, Philip für ihre eigenen Ziele zu missbrauchen.
Ich lächle. »Sagen wir mal, dass die Reise für die Prophezeiung wichtig ist und dass ich so schnell wie möglich zurückkehren werde.«
Er steht abrupt auf. Seine Finger kämmen unruhig durch sein Haar. Er wirkt wie ein verzweifelter kleiner Junge. Mir wird plötzlich klar, dass er nicht so alt ist, wie ich dachte, trotz des ruhigen Selbstvertrauens und der Besonnenheit, die mich so an Vater erinnern.
»Es ist schon in London gefährlich für Sie; Sie können unmöglich eine solche Reise in Erwägung ziehen!« Er bleibt stehen, ein Bild der Entschlossenheit. »Ich werde Sie begleiten.«
Ich durchquere den Raum und nehme seine Hände in meine. Nichts an dieser Geste kommt mir unschicklich vor, obwohl ich keinen Mann mehr berührt habe, seit ich James in New York zurückgelassen habe.
»Lieber Philip. Das ist unmöglich. Ich weiß nicht, wie lange ich fort sein werde, und es ist viel wichtiger, dass Sie die Suche nach den Schlüsseln fortsetzen, während ich meine eigenen Angelegenheiten regele. Außerdem muss ich die Last dieses Teils der Prophezeiung allein tragen, obwohl ich von Herzen wünsche, es wäre anders.« Ich beuge mich vor und streiche mit dem Handrücken sanft über seine kühle Wange. Diese Vertraulichkeit kommt auch für mich unerwartet, aber als ich sehe, wie sich seine Augen verdunkeln, wird mir klar, dass seine Überraschung viel größer ist als meine eigene. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir Ihre Begleitung anzubieten. Ich weiß, dass Sie nicht von meiner Seite weichen würden, wenn ich es erlaubte.«
Er hebt die Hand zu seiner Wange, und ich habe das merkwürdige Gefühl, dass er nach dieser kurzen Berührung alles, worüber wir gesprochen haben, vergessen hat. Meine Reise erwähnt er nicht mehr.
In dieser Nacht reise ich mit den Schwingen nach Birchwood. Ich betrete die Anderswelten nicht mehr mit Absicht, aber ich ziehe mich auch nicht bewusst vor ihnen zurück. Ich weiß, dass Sonia besorgt wäre, wenn
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