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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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London bereits in tiefem Schlaf liegt. Aber als Alice die Augen öffnet, schrecke ich auf.
    Zunächst denke ich, sie starrt bloß in den Raum, doch ihre Augen gleiten ruhig durch die Schatten und finden meine, als ob sie die ganze Zeit über gewusst hat, dass ich da bin. Sie muss es nicht aussprechen – ich kenne die Wahrheit schon –, aber sie sagt es trotzdem. Und dabei blickt sie geradewegs in meine Seele, wie sie es schon immer getan hat.
    »Ich sehe dich«, sagt sie. »Ich sehe dich, Lia. Ich weiß, dass du da bist.«
    Ich lasse mir mit dem Ankleiden Zeit und denke währenddessen über meine Reise nach Birchwood nach. Das Tageslicht bringt keine Klarheit. Die Vernunft sagt mir, dass ich unmöglich mit den Schwingen gereist sein kann, dass es ein gewöhnlicher Traum gewesen sein muss, denn die beiden Dimensionen – die astralen Schwingen und die wirkliche Welt – werden durch einen Schleier getrennt, den man nicht lüften kann. Man kann nur sehen, was in einer Welt geschieht, wenn man sich in ihr befindet, und Alice war unzweifelhaft in der Wirklichkeit, während ich mich … wo auch immer befand, im Traum oder mit den Schwingen.
    Und doch bin ich mir sicher, dass ich mit den Schwingen reiste. Und ebenso sicher bin ich mir, dass Alice meine Anwesenheit wahrnahm. Sie hat es selbst gesagt. Ich frage mich gerade, was ich mit dieser neuen Erkenntnis anfangen soll, als es an die Tür klopft.
    Sonia tritt ein, ohne auf meine Erlaubnis zu warten, obwohl ich erst halb angezogen bin. Es stört mich nicht. Wir haben uns schon lange von jeglicher Formalität zwischen uns verabschiedet.
    »Guten Morgen«, sagt sie. »Hast du gut geschlafen?«
    Ich greife an den üppigen Samtroben vorbei, die in meinem Schrank hängen, und entscheide mich für ein einfaches Kleid aus aprikosenfarbener Seide. »Eigentlich nicht.«
    Sie runzelt die Stirn. »Was meinst du damit? Was ist passiert?«
    Ich seufze, drücke das Kleid gegen meinen Busen und lasse mich neben Sonia auf mein Bett fallen. Plötzlich fühle ich mich schuldig. Ich war in letzter Zeit nicht ehrlich Sonia gegenüber. Ich habe ihr nichts von meiner entsetzlichen Reise erzählt, als ich Samael begegnete und mit einem blutigen Kratzer auf der Wange aufwachte. Ich habe ihr auch nicht erzählt, dass ich Alices Abbild auf der Treppe hier in Milthorpe Manor gesehen habe.
    Und unsere Allianz verzeiht keine Geheimnisse.
    »Ich bin letzte Nacht nach Birchwood gereist«, sage ich schnell, ehe ich mich eines anderen besinnen kann.
    Auf den Zorn, der ihre Wangen rötet, bin ich nicht gefasst. »Du sollst doch nicht ohne mich mit den Schwingen reisen, Lia. Du weißt, dass es gefährlich ist.« Ihre letzten Worte sind nur noch ein Zischen.
    Natürlich hat sie recht. Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, gemeinsam mit den Schwingen zu reisen, und auch nur dann, wenn Sonia es für die Unterweisung in meine Gaben für nötig erachtete. Es ist zu meinem eigenen Schutz, weil immer die Gefahr besteht, dass es den Seelen gelingt, die Astralschnur, die meine Seele an meinen Leib bindet, zu durchtrennen. Wenn das passiert, würde mein schlimmster Albtraum wahr werden und ich wäre für immer in dem eisigen Abgrund gefangen. Und trotzdem überrascht mich Sonias Erregung. Ich spüre eine Woge der Zuneigung wegen ihrer Sorge um mich.
    Ich lege meine Hand auf ihren Arm. »Ich bin nicht absichtlich gereist. Ich wurde … gerufen.«
    Sie hebt die Augenbrauen und ihre Augen blicken mich ängstlich an. »Von Alice?«
    »Ja, vielleicht … Ich weiß es nicht. Aber ich sah sie in Birchwood. Und ich glaube, sie sah mich auch.«
    Der Schock in Sonias Gesicht ist unverkennbar. »Was willst du damit sagen: Sie sah dich auch? Sie kann dich nicht sehen, solange sie in ihrer Welt ist und du mit den Schwingen reist. Das wäre gegen jedes Gesetz!« Sie zögert und betrachtet mich dann mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen. »Es sei denn, du hast verbotene Mächte benutzt.«
    »Ich bitte dich! Natürlich habe ich das nicht getan! Ich mag ja eine Zauberin sein, aber ich habe überhaupt keine Ahnung, wie ich eine solche Macht heraufbeschwören kann. Und ich will es auch gar nicht wissen.« Ich stehe auf, ziehe mir das Kleid über und spüre, wie es über meine Unterröcke und meine Strümpfe gleitet. Als ich wieder aus der bauschigen Seide auftauche, fange ich Sonias Blick ein. »Aber ich glaube nicht, dass Alice sich allzu sehr um die Grigori schert. Eigentlich stand das zu erwarten.«
    »Was willst du

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