Liebe und Verrat - 2
sonst. Sei ganz beruhigt. Ich werde dich nicht wieder aufsuchen. Jedenfalls nicht aus diesem Grund. Nicht, um Fragen zu stellen. Das nächste Mal, wenn ich zu dir komme, werden wir diese Sache ein für allemal erledigen.«
Sie verengt die Augen und betrachtet mich aufmerksam, und diesmal ist sie es, die versucht, das Maß meiner Kräfte abzuschätzen. »Sieh nur zu, dass du die Sache auch wirklich erledigen willst «, sagt sie. »Denn wenn du es tust, wenn alles vorbei ist, dann wird eine von uns tot sein.«
Sie dreht sich um und geht ohne ein weiteres Wort davon. Ich starre ihr nach, bis sie nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne ist.
11
Als ich am nächsten Morgen erwache, ist es so dunkel, dass ich zunächst denke, es sei noch Nacht. Aber als ich mich im Zelt umschaue, sehe ich, dass Luisa nicht mehr da ist. Sonia schläft noch und so schlüpfe ich unter meiner Decke hervor und krabbele aus dem Zelt. Ich versuche, die Zeit zu schätzen. Der Himmel sagt mir, dass der Morgen angebrochen ist, denn obwohl über mir noch dunkle Mitternacht herrscht, wird das Licht am Horizont schon heller, verfärbt sich zu einem blassen Blau.
Trotzdem ist es wohl noch sehr früh. Edmund sitzt hellwach auf seinem Posten am Rand des Lagers. Ich gehe auf ihn zu, ohne mir Mühe zu geben, leise zu sein, denn ich möchte ihn nicht erschrecken und womöglich die Waffe auf mich gerichtet sehen.
»Edmund?«
Ruhig dreht er sich um. »Es ist noch früh. Warum sind Sie schon auf?«
Ich gehe zu ihm und setze mich auf einen Felsen, sodass wir auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen können. »Ich weiß nicht. Ich bin aufgewacht und merkte, dass Luisa nicht im Zelt ist. Haben Sie sie gesehen?«
Er schüttelt den Kopf, ein Ausdruck ehrlicher Überraschung in den Augen. »Nein. Ich habe keinen Laut gehört.«
Ich spähe in die Dunkelheit des Waldes. Es ist durchaus möglich, dass Luisa einem körperlichen Bedürfnis nachgehen musste, für das man gemeinhin alleine sein möchte. Ich spreche es nicht aus, weil ich Angst habe, Edmund verlegen zu machen. Aber es wundert mich, dass Luisa allein in den Wald gegangen ist, nachdem wir erst kürzlich noch einmal bekräftigt haben, genau das nicht zu tun.
»Gab es letzte Nacht irgendwelche Probleme?«, will ich wissen.
Er schüttelt wieder den Kopf. »Nein. Ich habe Rascheln gehört, aber es klang nicht wie von etwas Großem, und was immer es auch war, es bewegte sich auch nicht besonders schnell. Vielleicht nur die Tiere des Waldes, die nachts auf Nahrungssuche gehen.«
»Haben wir tatsächlich eine Chance, den Höllenhunden zu entkommen?«
Er antwortet nicht sofort, und ich weiß, er wird mir nicht die Antwort geben, die ich hören will, sondern eine, die auf gründlicher Überlegung und Abwägung basiert. »Unsere Chancen stehen etwa fünfzig zu fünfzig, würde ich sagen. Wir sind im Wald und wir nähern uns dem Meer, das ist unser Vorteil. Die Wasserläufe werden breiter und tiefer. Es wird immer wahrscheinlicher, dass wir schon bald auf einen mächtigen Strom treffen. Es gibt nur ein paar Dinge, die mir Sorgen bereiten.«
Ich überwinde die Panik, die bei dem Gedanken, einen tiefen, schnell fließenden Fluss zu überqueren, in mir aufsteigt. »Was denn?«
»Wenn uns Samael die Höllenhunde auf den Hals hetzt, könnte er auf die Idee kommen, ihnen noch Unterstützung zu schicken. Die Hunde sind womöglich nicht unser einziges Problem.«
»Ich verstehe. Aber Sie sprachen von mehr als einer Sache, die Ihnen Sorgen bereitet. Was noch?«
Er starrt eine Weile zu Boden, ehe er mich wieder anblickt. »Ein breiter Fluss wäre ein Segen und ein Fluch zugleich. Alles, was breit und tief genug wäre, um die Hunde aufzuhalten, würde auch uns enorme Schwierigkeiten bereiten. Aber das ist nicht das Schlimmste, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ich nicke. »Wenn wir an einen Fluss kommen, dann haben wir keine Wahl: Wir müssen versuchen, hinüberzukommen, um die Hunde abzuschütteln, und erst, wenn wir in der Mitte sind, werden wir merken, ob es uns gelingen wird.«
»Richtig.«
»Aber wie gesagt: Wir haben keine Wahl, richtig?« Ich erwarte keine Antwort. »Wir werden einfach nur weiterreiten und versuchen, die Strömung zu überwinden, wenn es so weit ist. Bisher hatten wir das Glück auf unserer Seite. Wir müssen daran glauben, dass es auch in Zukunft so bleiben wird.«
»Vermutlich haben Sie recht.« Aber es klingt nicht besonders hoffnungsvoll.
Ich stehe auf. »Ich habe Luisa noch
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