Liebe und Verrat - 2
Morgendämmer am Fluss kauerte und im Geheimen spähte.
Ich habe natürlich gewusst, dass so etwas passieren kann – dass die Seelen versuchen würden, uns zu entzweien. Aber ich glaube, mir war nicht klar, dass es auf diese Weise geschehen kann. Dass es eine so heimtückische, schleichende Abspaltung voneinander sein würde. Ich habe das Band, das Sonia, Luisa und mich verbindet, immer als etwas Heiliges betrachtet. Es ist das Band zwischen den beiden Schlüsseln und dem Tor. Aber ich war wohl naiv.
Es wird die Zeit kommen, da ich Luisas Verrat offenlegen muss, auch wenn ihre Rolle in dem Komplott unfreiwillig ist. Aber im Augenblick, während wir durch den Wald hetzen, immer in Richtung Altus, kann ich mir eine derartige Ablenkung nicht leisten. Im Augenblick kann ich nur davon ausgehen, dass alles, was Luisa weiß, auch den Seelen bekannt ist. Und das bedeutet, dass ich so viel wie möglich vor ihr geheim halten muss.
Wir machen nur einmal kurz Rast, um die Pferde zu füttern und zu tränken. Vielleicht bilde ich es mir bloß ein, aber ich habe das Gefühl, dass Zweifel und Misstrauen in der Luft liegen. Ich kann es förmlich riechen, wie etwas Lebendiges, etwas, das atmet. Ich gehe unruhig auf und ab, während sich Edmund um die Pferde kümmert und Sonia und Luisa an zwei Baumstämme gelehnt ausruhen. Wir sprechen nicht miteinander, während wir darauf warten, dass sich die erhitzten Pferde etwas erholen. Es gibt keine Fragen zu den weiteren Plänen des Tages oder zu unserer gegenwärtigen Position.
Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Die Unruhe, die während des Morgens in mir aufgekommen ist, wächst ins Unermessliche. Diese Unruhe hat wenig mit Luisa zu tun, sondern eher mit den Kreaturen, die uns durch den Wald jagen. Ich habe gelernt, diese Gefühle nicht zu ignorieren, weder in den Anderswelten noch in meiner Welt, denn sie sind meistens das Resultat meiner geschärften Sinne und stärker werdenden Fähigkeiten. Ich weiß das Nagen und Zerren an meinen Nerven zu deuten – es ist eine Warnung, dass sich die Höllenhunde rasch nähern. Im hintersten Winkel meines Geistes kann ich bereits ihren hechelnden Atem hören.
Daher kann es mir gar nicht schnell genug gehen, als Edmund auf sein Pferd steigt und uns bedeutet, es ihm gleichzutun. Ich lenke mein Pferd neben das von Edmund und sage leise, damit es die anderen, die gerade in die Sättel steigen, nicht hören können: »Sie werden uns kriegen, nicht wahr?«
Er holt tief Atem und nickt. »Heute noch, wenn wir keinen Fluss finden.«
»Und wie steht es damit?«, frage ich hastig, ehe sich die anderen so weit eingerichtet haben, dass sie unser geflüstertes Gespräch bemerken.
Er schaut sich kurz um, ob wir noch ungestört sind, und sagt dann, ebenfalls mit gesenkter Stimme: »Ich habe eine Karte. Sie ist alt, aber ich glaube nicht, dass sich dieser Wald in den letzten paar hundert Jahren sehr verändert hat.«
Ich bin überrascht. Von dieser Karte hat Edmund bislang nichts gesagt. »Und Sie führen uns nach dieser Karte?«
Er nickt. »Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut wie früher, wissen Sie? Ich wollte niemandem erzählen, dass …« Er schaut wieder zu Sonia und Luisa. »Ich wollte nicht, dass jemand anderes sie zu sehen bekommt. Die genaue Lage von Altus ist seit jeher streng geheim. Sehr wenige wissen überhaupt von seiner Existenz, und noch weniger, wie man dorthin gelangt. Ihr Vater hat mir diese Karte hinterlassen, damit ich Sie dorthin bringen könnte, wenn Sie jemals einen sicheren Unterschlupf benötigen sollten. Es gibt … Wachen, die darauf achten, dass keine ungebetenen Gäste eintreten, aber trotzdem würde es mir gar nicht gefallen, den Feind nach Altus zu führen.«
Ich darf mir wohl kaum anmaßen, Edmund dafür zu tadeln, dass er ein Geheimnis hütet. Ich habe mehr als eins.
Ich nicke. »Ich verstehe. Was ist mit dieser Karte?«
»Anfangs führte ich Sie auf dem schnellstmöglichen Weg nach Altus, aber als ich bemerkte, dass die Hunde uns auf den Fersen sind, bin ich etwas von der Route abgewichen.«
»Aber sollten wir mit den Hunden im Nacken nicht versuchen, schneller nach Altus zu kommen, statt einen Umweg zu machen?«
Er nickt. »Möglicherweise wäre das die bessere Entscheidung. Aber bedenken Sie: Selbst wenn wir rasch vorwärtskommen, besteht die Chance, dass sie uns einholen. Aber auf der Karte … nun, dort ist ein Gewässer verzeichnet, ein großes Gewässer, ein breiter Fluss, wie es aussieht. Dort
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