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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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kann es ihr nicht verdenken, dass sie sich ihr entzogen hat, auch wenn ihre Methode für uns Kinder ganz entsetzlich war. »Was sie tat, tat sie zum Schutz ihres Kindes, wie es jede andere Mutter auch getan hätte. Du wirst doch wohl nicht abstreiten wollen, dass es einen großen Unterschied zwischen ihrer Entscheidung und deiner gibt.«
    Alices Gesicht verhärtet sich noch mehr. »Mutter hat sich dazu entschieden, sich gegen das Gesetz der Grigori zu wenden. Es ist egal, welche Gründe sie dafür hatte. Sie hat den Verlauf der Prophezeiung verändert, indem sie diesen Schutzzauber um dich legte. Ich kann kaum gutheißen, dass sie die uralten Gesetze gebrochen und sich dann umgebracht hat, um der gerechten Strafe zu entgehen.«
    Nur mit Mühe kann ich meine Wut im Zaum halten, aber das Gerede um unsere Mutter bringt uns nicht weiter. Ich habe Wichtigeres im Sinn.
    »Edmund hat mir erzählt, dass du dich mit James triffst.«
    Das Lächeln, dunkel und hinterhältig, kriecht in ihre Mundwinkel. »Nun, die Familien Douglas und Milthorpe sind seit vielen Jahren befreundet. Und James hat sich schon immer sehr für Vaters Bibliothek interessiert, wie du ja wohl weißt.«
    »Treibe keine Spielchen mit mir, Alice. Edmund sagt, dass du dich mit James angefreundet hast, dass du ihn zum Tee einlädst.«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Na und? James war sehr traurig, als du abgereist bist. Ist es da nicht recht und billig, dass ich ihm meine Freundschaft anbiete, um ihn in seinem Schmerz zu trösten? Oder ist nur eine Milthorpe-Schwester gut genug für James Douglas?«
    Ich muss schlucken, ehe ich antworten kann. Es ist mir unmöglich, mir James mit jemand anderem als mir vorzustellen.
    »Alice … Du kennst meine Gefühle für James. Trotz allem, was uns die Prophezeiung auferlegt, gibt es Dinge … Dinge, die unantastbar sind. Henry zum Beispiel.« Ich würge den Namen hervor, als ob er meine Kehle in Fetzen reißen würde. »Und James ebenso. Er ist unschuldig. Er hat niemals etwas getan, um dir zu schaden – er hat niemandem je geschadet. Ich möchte dich von Schwester zu Schwester bitten, ihn in Ruhe zu lassen.«
    Ihr Gesicht wird leer. Es nimmt eine vertraute Ruhe an, und ich weiß noch, dass ich Alice früher manchmal stundenlang beobachtet habe, ohne dass sich etwas in ihrem ausdruckslosen Gesicht gerührt hätte. Einen kurzen Augenblick bin ich so naiv zu glauben, dass sie meine Bitte in Erwägung zieht, aber genauso schnell erkenne ich, wie sich ihre Augen vor Zorn verdunkeln. Und schlimmer noch als der Zorn, schlimmer noch als alles andere ist das Vergnügen, das ich sehe – das Vergnügen, jemand anderen in ihrer Hand zu haben.
    Ich sehe es und denke an meinen Bruder. Und da weiß ich, dass meine Bitte keine Wirkung zeigen wird. Stattdessen wird sie meine Worte als Herausforderung auffassen, als Fehdehandschuh, den sie – Alice – unmöglich ignorieren kann. All das erkenne ich im Bruchteil einer Sekunde, und ich weiß, dass ich vermutlich James mehr geschadet habe, als wenn ich ihn überhaupt nicht erwähnt hätte. Und so sind Alice’ Worte für mich keine Überraschung.
    »Ich glaube nicht, dass James dich noch irgendetwas angeht, Lia. Du hast das Recht, dich in sein Leben einzumischen, in dem Augenblick aufgegeben, als du ihn verlassen hast und nach London gereist bist, ohne dich angemessen von ihm zu verabschieden.«
    Ich muss mir Mühe geben, um bei ihren Worten nicht die Fassung zu verlieren, denn sie hat recht. Ich habe James verlassen, und ich habe ihm nur einen nichtssagenden Brief geschrieben, eine knappe Versicherung meiner Liebe, ehe ich in den Zug stieg, der mich von Birchwood fortbrachte.
    Von Birchwood und von James.
    Es gibt nichts mehr zu sagen. Alice wird alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Samael in unsere Welt zu geleiten, und sie wird keinen weiteren Gedanken daran verschwenden, ebenso wenig wie an James, der für sie bloß ein Spielball in den Wirren der Prophezeiung ist.
    »Wäre das alles, Lia?«, fragt Alice. »Denn ehrlich gesagt habe ich diese Gespräche satt, in denen du immer wieder dieselben Fragen stellst. Und es sind so dumme Fragen, auf die es nur eine einzige Antwort gibt: Weil ich es will, weil ich es kann.« Sie lächelt, und es ist ein so reines Lächeln, ganz ohne Falsch, dass ich einen Moment lang glaube, ich müsste wahnsinnig werden. »Ist sonst noch etwas?«
    »Nein.« Ich möchte so gerne stark klingen, aber meine Stimme ist nur ein Flüstern. »Nichts

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