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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Ich kam, so schnell ich konnte.« Ich schaue über die Schulter zu der Gestalt auf dem Bett. »Wie geht es ihr?«
    Unas Gesicht wird ernst. »Die Ältesten sagen, dass sie womöglich die Nacht nicht übersteht.«
    »Dann will ich gleich zu ihr gehen.« Ich trete an Una vorbei zum Bett, wobei ich den Schwestern zunicke, die sich um Tante Abigail kümmern.
    Als ich vor ihrem Bett stehen bleibe, pulsiert und vibriert der Stein um meinen Hals so stark, dass ich es beinahe hören kann. Ich ziehe ihn unter meinem Gewand hervor und halte ihn in der Hand. Er ist so heiß, als ob ich ihn geradewegs aus dem Feuer gezogen hätte, und doch verbrennt er mich nicht.
    Ich lasse ihn wieder in meinen Ausschnitt gleiten und schaue hinunter auf meine Großtante. Ich habe sie mir immer dynamisch und voller Lebensfreude vorgestellt, wie sie vor ihrer Krankheit gewiss auch war. Jetzt ist ihre Haut so dünn und faltig wie Seidenpapier und ihr Körper so zart und schmal, dass er unter der Decke kaum sichtbar ist. Ihr Atem kommt in rasselnden Stößen, doch dann öffnet sie ihre Augen, und sie sind so jugendlich und strahlend, so grün wie meine eigenen. Es ist unverkennbar: Sie ist die Schwester meiner Großmutter.
    »Amalia.« Sie spricht meinen Namen im selben Moment aus, in dem sie ihre Augen öffnet, als ob sie die ganze Zeit wusste, dass ich dort stehe. »Du bist gekommen.«
    Ich nicke und setze mich auf die Bettkante. »Gewiss. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich kam, so schnell ich konnte.«
    Sie will lächeln, aber ihre Mundwinkel bewegen sich kaum. »Die Reise ist lang und gefahrvoll.«
    Ich neige den Kopf. »Ja. Aber nichts hätte mich zurückhalten können.« Ich greife nach ihrer Hand. »Wie geht es dir, Tante Abigail? Oder soll ich Lady Abigail sagen?«
    Sie fängt an zu lachen, aber ihr Gelächter geht in einen schmerzhaften Hustenanfall über. »Bitte tu mir den Gefallen und nenne mich Tante Abigail.« Sie seufzt und ihre Stimme wird vor Melancholie leise. »Es scheint so lange her zu sein, dass ich Abigail war. Dass ich einfach eine Tochter, eine Schwester oder eine Tante war.«
    »Für mich wirst du stets Tante Abigail sein.« Ich beuge mich vor und küsse sie auf die trockene Wange, erstaunt darüber, wie vertraut sie mir vorkommt.
    Beim Vorbeugen rutscht mir die Kette, an der der Schlangenstein hängt, aus dem Ausschnitt, und Tante Abigail streckt eine Hand aus und berührt den noch immer heißen Stein.
    »Du hast ihn.« Sie lässt ihn los und er fällt gegen meine Brust. »Gut.«
    »Was genau ist das?« Ich bin nicht in der Lage, meine Neugier zu verbergen, selbst nicht im Angesicht ihrer Krankheit.
    » Glain Nadredd «. Die Worte sagen mir nichts, aber sie spricht sie mit einem Seufzen aus, als würde sie sich an etwas erinnern. Dann wird ihre Stimme fester. »Das ist ein Schlangenstein. Aber nicht irgendeiner. Er gehörte mir.«
    Ich umfasse den Stein mit meiner Hand, als ob er mir so seine Geheimnisse enthüllen könnte.
    »Wofür ist er?«, frage ich.
    Ihre Augen gleiten zu meinem Handgelenk und zu dem Medaillon, das unter dem Saum des Ärmels hervorlugt. »Dafür.« Sie verstummt, als müsste sie ihre Kräfte sammeln. »Alle Schwestern auf Altus besitzen einen Stein, in dem ihre Magie eingeschlossen ist. Seine Stärke hängt von seiner Trägerin ab. Meiner hat Unheil von mir abgewehrt, mich geheilt, wenn ich krank war, und in der Not meine Kräfte vervielfacht. Jetzt wird er dich vor den Seelen beschützen, selbst wenn du das Medaillon des Tors trägst. Selbst wenn sich deine engsten Freunde Samaels Macht ergeben. Aber er wird seine Macht nicht ewig entfalten, und wenn seine Kraft schwindet – wenn meine Kraft schwindet –, musst du ihn mit deiner eigenen anfüllen.«
    »Wie viel Zeit bleibt mir, bis das geschieht?«
    »Wenigstens, bis du die Seiten an dich nimmst. Wenn uns das Glück hold ist, vielleicht noch ein wenig länger. Ich …« Sie leckt sich über die ausgetrockneten Lippen, und ich schiebe die drängenden Fragen in mir beiseite, um ihr Wasser anzubieten, das sie allerdings ablehnt. »Ich habe mich aller Kraft entledigt, mein Kind, und habe sie in den Stein eingeleitet.«
    Wie ein Dolch durchstößt mich die Reue, denn jetzt kenne ich den Grund für Tante Abigails Zustand. Sie hat mir all ihre verbliebene Kraft geschenkt, durch den Stein. Vermutlich war sie sich über Alice’ wachsende Macht im Klaren, und womöglich wusste sie auch über Sonias Verrat Bescheid. Ich will nicht fragen,

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