Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
Vom Netzwerk:
den Kopf in den Nacken und lacht. »Die meisten wären in ihrer Wortwahl wohl nicht so zurückhaltend wie du.«
    Er führt mich um eine Ecke und bleibt vor dem Eingang zu dem Gebäude stehen. Der Gang geht von hier aus weiter, allerdings im Inneren, und ich begreife, dass Dimitri den kurzen Moment der Zweisamkeit ausnutzen will, ehe wir eintreten.
    »Ursula ist diejenige der Älteren, die in ihrem Rang direkt unter Lady Abigail steht. Falls Lady Abigail stirbt, was zu meinem größten Bedauern vermutlich bald geschehen wird, ist Ursula bereit und willens, ihren Platz einzunehmen.«
    »Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat. Ich würde ihr diesen Platz nicht streitig machen. Ich bin ja nicht einmal eine Bewohnerin von Altus.«
    Er seufzt, und ich habe das Gefühl, dass ihm dieses Gespräch gehörig gegen den Strich geht. »Ja, aber Lia, es gibt zwei weitere Schwestern, die in der Rangfolge noch vor Ursula kommen.« Er schaut hinaus in die schwarze Nacht, ehe er seinen Blick wieder mir zuwendet. »Deine Schwester Alice. Und du.«
    Einen Moment lang ergeben seine Worte keinen Sinn. »Was soll das heißen? Das ist unmöglich.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein, ist es nicht. Alle Schwestern sind Abkömmlinge der ursprünglichen Wächter und irdischer Frauen. Aber du und Alice, ihr stammt von Maari und Katla ab, von den Urheberinnen der Prophezeiung. Das ist der Grund, warum ihr als Tor und Wächter erwählt wurdet. So war es schon immer.«
    »Na und?«
    »Und die Herrin von Altus muss so eng wie möglich mit Maari und Katla verwandt sein. Lady Abigail ist eine direkte Nachfahrin, und außer Virginia sind du und Alice ihre einzigen lebenden Verwandten. Aber Alice kommt als Herrin von Altus nicht infrage, weil sie mehrmals die Gesetze der Grigori aufs Gröbste missachtet hat. Ursula stammt von derselben Linie ab, allerdings nicht direkt.«
    Ich verlagere mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und versuche zu verstehen, was er mir sagen will. »Also schön, aber was ist mit Virginia? Sie ist älter als ich. Ihr Anspruch ist mehr wert als meiner.«
    Er zuckt mit den Schultern. »Sie will das Amt nicht, Lia. Sie hat ihren Anspruch aufgegeben, als sie Altus verließ, und außerdem war sie vermutlich nie mächtig genug, um sinnvoll herrschen zu können.«
    Tante Virginia erzählte mir einmal, dass die Gaben der Schwesternschaft schon vor der Geburt verteilt werden. Dass einige von uns mächtiger sind als andere. Es scheint ihr nichts auszumachen, dass sie merklich schwächer ist als andere, sogar als ihre eigene Schwester, meine Mutter.
    »Nun, ich will es auch nicht.« Ich zögere, ehe ich fortfahre. »Allerdings … Ich weiß nicht genug über Ursula, um beurteilen zu können, ob sie eine gute Herrin über Altus wäre.«
    Altus und die Schwestern, Ursula, Alice und Tante Abigail, die in dem Gebäude vor mir im Sterben liegt. Das ist alles zu viel. Ich lege die Finger an meine Schläfen, als ob ich damit all meine Probleme vertreiben könnte.
    Dimitri nimmt meine Hand. »Komm. Wir wollen zu Lady Abigail gehen. Der Rest kann warten.«
    Ich nicke und bin dankbar, dass er mich leitet. Wir treten durch die Tür in den inneren Gang. Dimitri weicht während des ganzen Wegs nicht von meiner Seite, und ich kann mir nicht mehr vorstellen, das Ende der Prophezeiung ohne seine Hilfe und seine Unterstützung zu bewerkstelligen.
    Natürlich ist es nicht so einfach, und ich versuche, die eine Frage, die sich immer und immer wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins drängt, zu vertreiben: Was ist mit James?
    Der Raum ist nur spärlich beleuchtet, aber nicht, weil alle Fenster fest verschlossen und die Vorhänge vorgezogen sind, wie man es in einem Krankenzimmer erwarten würde. Im Gegenteil: Zwei Doppeltüren aus Glas stehen weit offen und lassen die warme Nachtluft herein. Die Brise, die vom Meer her weht, bauscht die Vorhänge, sodass es aussieht, als würden sie aus eigenem Antrieb atmen.
    Dimitri bleibt an der Tür stehen, als ich eintrete. Una kommt zu mir, während zwei Schwestern sich im Hintergrund zu schaffen machen. Eine gießt Wasser in einen Becher, der auf dem Nachttisch steht. Die andere holt eine Decke aus dem großen Schrank neben dem Fenster und schüttelt sie auf.
    »Lia! Ich bin so froh, dass du da bist.« Una beugt sich vor und küsst mich auf die Wange. Sie spricht leise, aber nicht flüsternd. »Lady Abigail ist vor etwa einer halben Stunde aufgewacht und hat gleich nach dir gefragt.«
    »Danke, Una.

Weitere Kostenlose Bücher