Liebe und Verrat - 2
ihm hoch. »Was … was meinst du damit?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wenn du willst, schlafe ich auf dem Boden oder überall sonst, wo du mich haben willst. Daran ist nichts Verwerfliches. Nicht auf Altus. Außerdem«, fügt er mit einem verschmitzten Zwinkern hinzu, »habe ich dir doch gesagt, dass ich die Regeln deiner Welt respektieren werde, ob du willst oder nicht.«
Ein kleiner Winkel meines Gehirns, wo sich die Lehren von Miss Gray, meiner Lehrerin in Wycliffe, festgesetzt haben, schlägt Alarm und fragt empört, ob ich denn meine guten Sitten und meine Manieren vergessen habe, aber das ist nur eine kleine, schwache Flamme verglichen mit dem Feuer, das in mir auflodert. Dieses Feuer wird nicht nur durch meine wachsende Zuneigung für Dimitri gespeist. Es entzündet sich vielmehr an dem Hochgefühl, das mich angesichts der Erkenntnis überkommt, dass mir möglicherweise ein anderer Weg offen steht als der, den ich bislang als den einzigen betrachtete. Dass meine Möglichkeiten nicht so beschränkt sind, wie ich einst glaubte.
Ich muss lächeln. »Also schön. Ich möchte, dass du bleibst.«
Er öffnet die Tür zu meinem Zimmer. »Dann werde ich bleiben.«
Ich beschließe, mich nicht umzuziehen. Wenn ich daran denke, wie ich heute Morgen erwachte, weiß ich gar nicht recht, ob ich etwas habe, das ich anziehen könnte. Einen Mann über Nacht in meinem Zimmer zu beherbergen, ist skandalös genug, selbst für mein neues, von Freiheit beseeltes Ich. Aber mit einem Mann in einem Zimmer zu sein, während ich keinen Faden am Leib trage – und sei ich auch unter der Bettdecke verborgen –, könnte ich vor niemandem rechtfertigen, nicht einmal in der geheimnisvollen Welt von Altus.
Ich mache es mir auf dem Bett bequem, während Dimitri Decken und Kissen aus dem Schrank holt und sie auf dem Boden ausbreitet. Er geht durch den Raum und zieht die Vorhänge vor den großen Fenstern zurück. Da sehe ich, dass es gar keine Fenster sind, sondern zwei Doppeltüren, genauso wie in Tante Abigails Gemach.
Er öffnet eine der Türen einen Spalt und wendet sich zu mir. »Stört es dich? Ich mag die Brise, die vom Meer her weht.«
Ich schüttele den Kopf. »Mir war gar nicht klar, dass es eine Tür ist.«
Er kommt zum Bett und packt mich warm in die Decke ein. »Damit dir nicht kalt wird, während du zum Klang der Wellen einschläfst.«
Er beugt sich vor und küsst mich keusch auf die Lippen. »Gute Nacht, Lia.«
Ich bin ein bisschen verlegen, trotz der Nähe, die wir füreinander empfinden. »Gute Nacht.«
Er bläst die Kerze auf dem Nachttisch aus, und dann höre ich, wie er sich auf dem Boden in die Decken wickelt. Aber es dauert nicht lange und ich fasse einen Entschluss. Das Bett ist riesengroß und mir fremd, und mir gefällt der Gedanke gar nicht, dass Dimitri auf dem kalten Boden liegen muss.
»Dimitri?«
»Hmm?«
»Hältst du es für möglich, bei mir im Bett zu schlafen und dabei … die Regeln meiner Welt zu respektieren?« Ich frage mich, ob er weiß, dass ich lächele.
»Durchaus.«
Und ich bin mir ganz sicher, dass auch in seiner Stimme ein Lächeln liegt.
25
Ach du lieber Himmel!« Luisas Stimme schreckt mich aus dem Tiefschlaf. »Ich muss schon sagen: Du hast dich ja schnell an das Leben auf der Insel gewöhnt!«
Ich setze mich auf, wobei ich mich aus Dimitris Armen winden muss. Langsam öffnet er die Augen, scheinbar gänzlich unbeeindruckt von Luisas plötzlichem Auftauchen.
»Nun ja, und ich möchte dich bitten, die Sache für dich zu behalten, damit ich wenigstens den Anschein von Anstand wahren kann.«
Luisa hebt die Augenbrauen. »Ich werde deine Geheimnisse nicht verraten, wenn du meine nicht verrätst.«
»Ich kenne deine Geheimnisse nicht. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.« Ich strecke mich und widerstehe gerade so dem Verlangen, mich wieder an Dimitri zu kuscheln.
»Das könnte ich ändern, wenn du deinen heidnischen Inseljungen wegschicken würdest, während du dich badest und ankleidest.« Sie tritt zum Schrank.
Ich will nicht, dass Dimitri geht. Ich will keine Sekunde von ihm getrennt sein. Aber ich muss mich auf meinen Besuch bei Sonia vorbereiten und würde vorher gerne noch in Erfahrung bringen, wie es Tante Abigail geht.
Ich beuge mich vor und küsse Dimitri sanft auf den Mund, während Luisa, mit dem Rücken zu uns, im Schrank herumkramt.
»Tut mir leid«, sage ich.
Er streicht mit dem Finger von meiner Schläfe, unterhalb meines zerzausten Haars, über meinen
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