Liebe und Völkermord
Hang. Dieser hier war nicht so steil wie der Südhügel von Badibe. Als sie den Gipfel erreichten, sahen sie ein Tal vor ihnen und große dunkle Flächen. Sie waren angekommen. Vor ihnen lag das Dorf Kafro. Sie harrten dort aus bis zum Morgengrauen. Beim ersten Sonnenlicht wollten sie dann das Dorf betreten.
Gaurije hatte also nur eine Sache im Kopf, nämlich die Muslime zu vernichten. Er wollte in den Krieg ziehen. Ob die unerfüllte Liebe jener Frau ihn so verbittert und so voll Hass gemacht hatte?
Matthias hingegen dachte an Meridschan. Dort unten irgendwo schlief sie gerade im Haus ihres Bruders. Er konnte sie nicht vergessen. Sie war zu schön und ihre Worte kamen ihm immer wieder in den Sinn. Er hoffte auf ein gutes Ende dieses Konfliktes. Dieser Krieg und dieser Hass zwischen Muslimen und Christen sollten nicht zwischen ihre Liebe kommen. Er war bereit, am Kampf gegen die Muslime teilzunehmen, doch nicht, weil er sie alle verurteilte. Er verurteilte nur jene, welche nur mit der Intention gekommen waren, um sie zu töten. Für ihn stellte dies keinen persönlichen Konflikt zwischen den verschiedenen Völkern und Religionen dar. Aber leider, so dachte er, dachten nicht alle Menschen so. Was hätte er denn schon tun können? Er allein hatte nicht die Macht, die Welt zu verändern.
Wieder an der Seite des Sohnes des Muchtars war er durch die Gegend gestreift. Auch jetzt noch, obwohl es zu gefährlich war und ihre Eltern ihnen verboten hatten, das Dorf zu verlassen. Sie schlichen sich an diesem frühen Morgen davon. Das halbe Dorf schlief noch, und die andere Hälfte verrichtete das morgendliche Alltagsgeschäft, wie einen Plausch mit den Nachbarn führen oder mit der Familie frühstücken.
Sie waren wieder auf dem Hügel nördlich des Dorfes, dort, wo sie noch nie jemand entdeckt hatte. Mit ihnen gekommen war ihr neuer Freund, der Junge Stephan, der Armenier aus Isas Haus. Aziz führte ihn mit sich, zeigte ihm das Dorf, versuchte, ihm einige Worte Aramäisch beizubringen und streifte einfach nur mit ihm durch die Gegend. So wie jetzt. Stephan schwieg die ganze Zeit. Seit seiner Ankunft hatte er nur einige Male geredet und auch da jeweils nur ein oder zwei Worte.
Johannes hatte noch nie einen Gleichaltrigen gemocht, doch diesen fremden Jungen mochte er. Er war ein Fremder und wirkte unbedrohlich.
Johannes wälzte sich wie ein Löwenjunge auf dem Boden. Sein Oberhemd und seine Hose waren nun verstaubt. Er mochte den Dreck und den Gestank.
Aziz stand einige Meter vor ihm und schaute ihm dabei zu. Er ekelte sich davor, er ließ es sich aber nicht anmerken. Stephan hingegen schaute in Richtung des Dorfes, er hielt Ausschau nach etwas.
Johannes saß nun aufrecht und klopfte den Staub von seiner Hose ab. Er schaute dabei verärgert aus. „Ich hätte so viele Moslems abgeknallt!“
„Wir sind eben noch zu jung.“
„ Das sind wir nicht, du Idiot! Wir können kämpfen.“
Dieser Johannes war so frech zu ihm, aber dennoch blieb er an seiner Seite. Die anderen Jungen des Dorfes mochten ihn nicht.
Nun wandte sich Aziz Stephan zu. „Er muss viel Schlimmes gesehen haben. Danken wir Gott, dass uns das erspart geblieben ist.“
Johannes schaute kurz Stephan an und wandte sich sofort wieder seiner Hose zu. Er nickte. Er schwieg.
„Wir sollten jetzt wieder zurückgehen, bevor sie nach uns fragen.“
„ Warte noch! Sag mal, was ist da zwischen dir und Magdalena noch gewesen? Ich will die Wahrheit wissen!“
„ Wovon redest du? Wir haben jetzt ganz andere Probleme.“
„ Hör auf, abzulenken, Junge! Sag mir die Wahrheit!“
„ Drehst du jetzt wieder durch? Zwischen uns ist nichts gewesen.“
„ Sie ist meine Braut, hörst du?! Vergiss das nicht!“
Magdalena liebte nur ihn, dessen war sich Aziz sicher. Johannes aber war vernarrt in sie. Er war ein unberechenbarer Kerl. Diese Kinder sprachen schon in diesem frühen Alter vom Heiraten. Die meisten Aramäer verließen ihr Dorf nicht und wuchsen mit Mädchen auf, welche sie später im Erwachsenenalter heirateten. Sie hatten dabei keine schmutzigen Gedanken. Es war eine reine Liebe zwischen Mädchen und Junge. Oder so etwas Ähnliches.
„Ja, ich habe dir doch gesagt, ich habe kein Interesse an ihr. Sie gehört dir. Wir reden nur manchmal einfach so miteinander.“
„ Ihr redet nur miteinander? Ich glaube, ihr trefft euch heimlich. Komm schon, gib es doch einfach zu, Junge!“
„ Was willst du von mir? Ich sage die Wahrheit! Wir treffen uns nicht
Weitere Kostenlose Bücher