Liebe und Völkermord
heimlich. Ich will sie nicht, sie gehört dir. Was willst du noch?“
Gerade wollte sich der ungestüme Johannes schwermütig vom Boden erheben, da tauchte plötzlich die kokette Magdalena hinter ihm auf. Sie gackerte und hüpfte an ihnen vorbei. „Was macht ihr schon wieder hier? Im Dorf ist richtig 'was los. Ihr verpasst etwas.“
„So früh am Morgen? Was ist denn geschehen?“, fragte Johannes sie mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Ihn interessierte die Neuigkeit aus dem Dorf nicht, alles, was ihn in diesem Moment interessierte, war die Frage, ob Magdalena wirklich ihm gehörte.
„ Es geht um Barsaumo, der Sohn von Onkel Aziz und Tante Samona. Er soll die Frau des Wesirs umgebracht haben.“
„ Was?“, sprach Aziz und schaute dabei ungläubig.
Stephan drehte sich zu ihnen um und trat näher, als hätte er ihr Gespräch verstanden. Johannes' und Aziz' Augen waren die ganze Zeit über nur auf die verlockende Magdalena gerichtet.
„Ist er verrückt? Dann ist es kein Wunder, dass sie gekommen sind, um uns auszulöschen. Man sollte ihn aufhängen!“, meinte Johannes und schaute dabei verächtlich.
„ Warum? Du wolltest sogar den Wesir töten. Das hätte noch viel schlimmere Folgen für uns alle gehabt“, erwiderte ihm Magdalena.
Johannes schaute sie mit tödlichem Blick an, seine Augen waren zu Schlitzen geworden. Sie schaute zur Seite und kicherte wieder. Zwar lachte sie viel und stellte ab und zu dumme Dinge an, doch gerade diese eigensinnige Art machte sie für die kleinen Jungen des Dorfes so anziehend.
„Ach, die Moslems sind von sich aus gekommen. Sie haben doch schon versucht, die Armenier auszulöschen. Schaut euch doch meinen Freund Stephan an. Ich glaube nicht, dass es etwas mit dem Tod der Frau des Wesirs zu tun hat. Und außerdem können wir es jetzt auch nicht mehr ändern. Es würde nichts bringen, ihn zu bestrafen. Wir sollten lieber unsere Kräfte bündeln“, sprach Aziz zu den drei Anwesenden.
Johannes beneidete Aziz wegen dieser Worte, in puncto Intelligenz war dieser kleine Junge ihm weit überlegen.
Nun stand der Sohn des Murad aufrecht und nickte. „Er hat recht. Aber abgesehen davon, wir Kinder dürfen sowieso nicht mitreden. Von daher, sollen sie sich doch da unten so lange beraten, wie sie wollen, uns kann es egal sein.“
Aziz schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich können wir auch etwas beitragen. Wir sollten hingehen. Kommt!“
Er stellte sich vor Stephan und deutete mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf das Dorf und ging pantomimisch. Stephan nickte und schlenderte voraus. Aziz folgte ihm. Er drehte seinen Kopf zu Magdalena. „Komm mit uns mit!“
Sie kicherte und hüpfte wieder nach vorne, genau auf Aziz zu.
„Halt, Magdalena! Warte! Ich muss noch mit dir reden.“
Sie hielt inne und wandte sich ihm zu. „Worum geht es?“
„Jungs, geht schon mal voraus! Wir kommen gleich nach.“
Stephan und Aziz schauten Johannes verständnislos an. Aziz hatte eine schlimme Vorahnung, vielleicht hatte Johannes irgendetwas Schlimmes mit seiner Geliebten vor. Er würde ihr sicherlich einige unangenehme Fragen stellen und dabei seinen Namen in den Dreck ziehen. Aber es war nun strategisch sinnvoller, abzuziehen, und so nickte Aziz seinem armenischen Freund zu und sie schlenderten davon.
Die süße Magdalena schaute Johannes ernst an. Er lächelte sie an. Er hob seinen rechten Arm an und deutete auf sich. „Komm, lass uns einige Schritte gehen.“
Das Mädchen hatte keine Lust auf ihn, doch die Furcht überredete sie, auf seinen Wunsch einzugehen. Sie näherte sich ihm und ging an seiner Seite. Sie schlenderten in die andere Richtung. Magdalena kicherte und lächelte nicht mehr. „Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss gleich zurück nach Hause. Also, was wolltest du mir sagen?“
Sie standen auf einer Ebene inmitten des Bergkamms. Der Boden unter ihnen war dunkel, es war festgetretene Erde. Hoch über ihnen war der Eingang zu einer Höhle. Von dort aus konnten sie auf die gesamte Ebene schauen, und niemand aus der Ferne hätte sie sehen können.
Johannes zeigte mit dem Zeigefinger seiner linken Hand auf die Höhle. „Wetten, ich bin schneller als du dort?“
Er rannte los, erst geradeaus, dann nach rechts, zum einen Ende des Kamms, um von dort die Klippe zu besteigen und schnurstracks hinauf zur Höhle zu gelangen. Das Mädchen seufzte, sie war genervt. Dieses Spiel hatte sie schon oft gespielt und mit diesem Jungen machte es keinen Spaß.
Er lief los, aber
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