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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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hatten sie Ehwo hinter sich gelassen. Nun konnten sie die nächsten Stunden im Tal weitergehen bis nach Kafro, denn die anderen Dörfer befanden sich nicht in direkter Nähe dieses Tales. Sie liefen wieder einige Minuten. Danach hielten sie inne und verschnauften. Dann schlenderten sie weiter. Gaurije hielt die Fackel in seiner rechten Hand. Matthias' Tatendrang hatte ihn beeindruckt. Nun wirkte er auf ihn nicht wie ein Kleinwüchsiger sondern wie ein Hochgewachsener. „Hast du dich schon einmal in ein Mädchen verliebt?“
    Matthias drehte sich zu ihm um und schaute ihn mit großen Augen an. Dies war gewiss nicht der richtige Zeitpunkt über solche Themen zu diskutieren. Was wollte dieser Junge nun mit solch einer Frage bezwecken? Wahrscheinlich hatte er sich Gedanken gemacht, wie die Liebe zwischen einem Kleinwüchsigen und einer großgewachsenen Frau war. „Ja. Sogar mehrmals schon.“
    „Ich auch. Aber es war kompliziert.“
    „ Warum?“
    „ Meine Eltern hätten sie nicht akzeptiert.“
    Gerade wollte Matthias aufspringen und zu ihm sagen, dies sei auch bei seiner Liebesbeziehung das Problem gewesen, aber dann hielt er doch noch rechtzeitig inne. Er traute ihm nicht. Und wie er reagieren würde, wenn er ihm erzählte, er sei in eine Muslimin verliebt und diese Frau lebe zufälligerweise noch in Kafro, konnte er nicht einschätzen. Natürlich hätte Gaurije dann gedacht, er sei zu dieser Mission aufgebrochen, nur um das Mädchen wiederzusehen. „Ich verstehe nicht, warum? Hatten sie etwa eine andere Frau für dich im Sinn?“
    „Nein, es war ganz anders. Mein Vater wollte einst ihren Vater als Tagelöhner bei ihm anwerben. Eines Tages stritten sie sich. Ihr Vater meinte, mein Vater hätten ihm zu wenig vom versprochenen Lohn gezahlt. Sie prügelten sich sogar. Darauf arbeitete ihr Vater für die Malkes. Mein Vater hatte ihm das nie verziehen. In seiner Gegenwart durften wir den Namen ihres Vaters nicht erwähnen. Ach, wir Aramäer streiten uns und bekämpfen uns gegenseitig, dabei ist doch der wahre Feind dahinten, der Moslem!“
    „ Du hast absolut recht!“
    „ Ich hasse diese Moslems über alles! Ich will sie alle töten. Weißt du, wie sehr mir die Verteidigung des Dorfes heute Spaß gemacht hat?“
    Matthias zog seine linke Augenbraue hoch. Gaurije sah nun ganz anders aus. Er war nicht mehr der schüchterne Mann von vorhin. In seinen Augen brannte Feuer. Er wirkte nun unheimlich auf seinen Gefährten.
    „Zu viel Hass ist nicht gut. Er macht die Menschen blind.“
    „ Sollen wir sie etwa lieben für das, was sie unserem Volk angetan haben? Wir haben das zu lange getan!“
    Matthias war klar, er durfte Gaurije nicht weiter reizen. Dies war ein sensibles Thema und er musste sich zurückhalten. Nur zu gut kannte er die fanatischen Aramäer aus den Dörfern. Wenn sie sich einen Gedanken in den Kopf gesetzt hatten, konnte kein Mensch, nicht einmal ein Bischof, sie beeinflussen. Sie blieben vernarrt bei ihrem Standpunkt.
    In diesem Punkt glichen sie den Muslimen vom Lande.
    „ Du hast recht. Aber bedenke, wir rächen uns an ihnen, um unsere Toten zu sühnen. Sie wiederum werden dann zurückschlagen, um ihre Toten zu rächen. Danach werden wir wieder unsere Toten rächen, und das geht dann immer so weiter. Auf diese Weise wird es ewig Krieg geben. Das ist keine Lösung.“
    „ Nicht, wenn wir sie mit einem Schlag auslöschen!“
    Matthias wandte seinen Blick von ihm ab. Er duckte sich, Gaurije tat es ihm gleich. Er gab vor, er habe einen Wolf gehört. Gaurije trat nah an ihn heran.
    Sie rührten sich nicht.
    Der kleinwüchsige Aramäer fühlte sich wieder in seiner These bestätigt. Die anderen Badeboje waren anders als er und er würde sich nie wirklich mit ihnen anfreunden können. Sie verwendeten andere Worte als er, sprachen in einem anderen Ton als er, dachten anders als er und erfreuten sich an ganz anderen Dingen als er. Jedoch, er hatte keine Depressionen wegen dieser Einsamkeit. Er brauchte nur eine einzige Person, nämlich seine Geliebte. Nur ihre Gesellschaft befriedigte ihn.
    Matthias schlenderte weiter, er sagte, es sei wohl kein Wolf gewesen. Es war mitten in der Nacht, nach Mitternacht. Sie schritten furchtlos weiter südwärts durch das Tal. Nach einer Stunde führte der Gehweg westwärts, abseits von Kafro. Sie gingen durch den Nebenweg bis zum Hügel. Der Hügel erstreckte sich wie eine Rampe vor ihnen. Sie schritten nach links, dort war der Hügel am niedrigsten. Sie erklommen den

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