Liebe und Völkermord
für all das Übel und für den schlechten Charakterwandel ihres Mannes. Schließlich kam sie zum Entschluss, einzig und allein die Gier hatte ihren Mann zu diesem skrupellosen Teufel gemacht. Die ganze Zeit schon, seit vielen Jahren, gierte er nach diesen Ikonen. Sie waren also die Wurzel allen Übels. Dieses Übels musste sie sich entledigen, dann würde wahrscheinlich auch Musa wieder zu Sinnen kommen und sich seiner Tugenden früherer Tage rückbesinnen.
Sie machte einen weiten Sprung nach vorne und kam direkt auf die Mitte auf. Es knackte unter ihr. In dem Moment hatte Musa seine Augen geschlossen und sich das Parfüm auf seinen Hals getupft. Als er das Knacken hörte, öffnete er schockiert seine Augen. Nurdschan sprang noch einmal auf und prallte mit ihren Beinen auf die Matte. Musa geriet in Rage. „Was tust du da? Bist du verrückt geworden, Weib?“, schrie er und fasste sich dabei mit beiden Händen an seinem Turban.
Musa war so hoffnungslos verzweifelt wie selten zuvor. Ohne Zweifel waren die Bilder aus ihren goldenen Rahmen entrissen und bestimmt auch gerissen. Sein erbeuteter Schatz war nun also nichts mehr wert. Er hatte sich schon so viele traumhafte Vorstellungen gemacht, was er mit dem Erlös vom Verkauf der Ikonen machen würde. Gerne hätte er eine neue Moschee erbaut, viel größer und beeindruckender als seine jetzige. Oder er hätte sich Reliquien aus Arabien über Söldner, Diebe und Schmuggler besorgt und so sein Dorf und seine Moschee zu einem Pilgerort der islamischen Welt gemacht. Die Muslime von Kafro wären reich und berühmt geworden.
Doch all diese Träume sollten also nie wahr werden. Und das Dank einer schändlichen Tat seiner Nurdschan, welche er so sehr geliebt hatte. Jetzt hasste er sie.
Nun verlief alles so schnell. In Musas Erinnerung aber sollten diese Momente wie eine Ewigkeit wirken.
Er schrie wild um sich herum und stürzte sich dann auf sie. Sie fielen beide gleichzeitig auf den Boden. Er lag auf ihr. Er verpasste ihr mehrere Ohrfeigen, so heftig, sie blutete schon aus ihrem Mund. Immer wieder schrie er laut heraus und fragte sie, warum sie ihm das angetan habe. Er ergriff mit den dicken und langen Fingern seiner Hände ihren Hals und drückte fest zu. „Sag mir, warum du das getan hast? Wie konntest du das nur tun? Du wirst das nie wieder tun!“
Sie keuchte und wehrte sich, er aber war zu stark und drückte sie wieder nach unten auf den Boden, bis sie schließlich aufhörte zu atmen. So besessen und gefangen in seinem Delirium war er, er bemerkte ihren Tod nicht einmal und würgte sie weiter.
Als er dann doch zur Besinnung kam, schaute er deprimiert in die Augen der Leiche. Er bereute seine Tat. Er hatte seine geliebte Nurdschan getötet.
Eine Stunde lang weinte und heulte er auf seiner Matte. Dann richtete er sich auf und versuchte, wieder klar zu denken. Niemand durfte etwas von seiner Schreckenstat erfahren. Einen Tag zuvor hatten die Türken das Dorf geplündert, also konnte er ihren Tod den Türken unterschieben. Doch dann erinnerte er sich an Mahmud, er hatte Nurdschan gesehen. Um ihn würde er sich später kümmern.
Er nahm seinen Turban, breitete ihn aus und legte das Tuch auf ihr Gesicht. Er bückte sich vor. Sein Rücken schmerzte sehr. Die Schmerzen unterdrückte er. Vorsichtig packte er sie an ihrer linken Taille und versuchte, sie zu heben. Sie war zu schwer für ihn. Er überlegte, wie er sie auf eine andere Art nach draußen schaffen konnte. Dann aber fiel ihm ein, er hatte in all der Hektik vergessen, nachzuschauen, ob sich jemand draußen befand. Er rannte aus seinem Haus heraus, sprang auf den Gehweg und sah keinen einzigen Menschen. So eilte er wieder zurück in sein Haus. Die Haustür ließ er offen bis zum Anschlag auf die Wand des Korridors. Er nahm seinen Turban, faltete ihn zu einem Schal und legte ihn unter die Arme seiner toten Frau. Dann zog er an den Enden. Er stand hinter ihr, hinter ihrem Kopf und zog an dem Schal. Es funktionierte, die Leiche bewegte sich rückwärts, in seine Richtung. Er zog sie weiter bis zur Haustür. Es war ruhig. Draußen war kein Mensch. Dann zog er sie aus dem Haus heraus. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht. Schwere körperliche Arbeit hatte er noch nie in seinem Leben verrichten müssen.
Er zog die Leiche bis zum Garten hinter seinem Haus. Dann zog er an dem Schal an dem rechten Ende von ihrem Körper hervor, wickelte ihn schnell zusammen, setzte sich den Turban schnell auf und blieb neben der Leiche
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