Liebe und Völkermord
ihm nichts von Ali erzählen. Es würde ihn nicht nur vergraulen, sondern auch zutiefst verletzen.
Sie war schuldig, wurde ihr klar. Sie verletzte ihn, sie verletzte seine Würde. Mehr noch, sie hatte keinen Respekt vor ihm. Durch ihre Affäre mit Ali wurde sie zu einem Unmenschen. Wenn sie die Leidenschaft für diesen Hirtensohn ergriff, dann warf sie für den Moment all ihre Moralprinzipien über Bord. Nach dem Vollzug der Sünde bereute sie sie. Nachts weinte sie. Sie hasste sich selbst.
So wie jetzt.
„Du hast mir noch nicht erzählt, warum du dich nicht so gut mit deinen Eltern verstehst. Verrate es mir, bitte.“
Er erkannte, das war ein Ablenkungsmanöver. Solche negativen Geschichten über seine Familie wollte er ihr eigentlich nicht erzählen. Doch früher oder später müsste er es ihr doch sagen, dachte er. „Meine Mutter sagte, ich sei die Strafe für ihre Sünden.“
Meridschan schaute schockiert drein. Sie vergaß ihren Kummer für diesen Augenblick. „Was? Wie kann sie so etwas sagen?“
„ Die Bewohner des Dorfes erfuhren es aus ihrem eigenen Munde. Es sprach sich herum und bald galt ich quasi als Satans-Objekt. Jeder verachtete mich. Nur Abuna Isa, der Pfarrer unseres Dorfes, war nicht so abweisend zu mir. Er bot mir sogar an, mich zum Messdiener seiner Kirche durch den Bischof des Mor (Sankt)Gabriel-Klosters weihen zu lassen, ich jedoch lehnte ab. Warum hätte ich Messdiener der Kirche einer Gemeinde sein sollen, dessen Mitglieder mich verachten? Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten, jeden Tag ihre Gesichter zu sehen, ihre Sprüche zu hören und ihre Schikanen zu dulden. So suchte ich mir einen Platz außerhalb des Dorfes. Ich suchte die Höhlen im Westen auf und eine von ihnen schließlich fand ich am schönsten. Jenes ist quasi mein zweites Zuhause. Nein, es ist mein Zuhause.“
„ Das hier ist jetzt dein Zuhause.“
Er fühlte sich geschmeichelt. Dies verstand er als eine Zusage an seine Person. Indirekt bedeutete es also, sie würde den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollen. Also war er ihr Auserwählter, ihr zukünftiger Ehemann. Glücklich lächelte er sie an. Sie lächelte zurück und schloss danach müde ihre Augen. Erneut versuchte sie es, doch es war vergebens, sie konnte einfach nicht einschlafen. Sie wurde schlaff, melancholisch, schwermütig. Weder konnte sie noch irgendeinen Teil ihres Körpers anheben, noch ihn zur Seite bewegen. Nur noch ihre Augen bewegten sich von einem Punkt zum anderen.
Matthias betrachtete sie. Sie war seine Frau, seine Geliebte. Auch wenn sie von den Strapazen mitgenommen aussah, war sie immer noch in seinen Augen die schönste Frau der Welt. Keine andere Frau begehrte er so sehr, keine andere Frau konnte ihn so leicht wie sie verführen. Er erinnerte sich an seinen Traum damals in der Höhle, in dem er sie berührte, mit ihr schlief.
Er hüpfte nach vorne, stützte sich dabei mit beiden Händen am Boden ab und setzte sich zu ihren Füßen auf ihre Matte hin. Sie bemerkte es und erkannte gleich, was er vorhatte. Ihre Augen hatte sie immer noch auf die Wand über Matthias' Matte fixiert. Mit seiner linken Hand strich er zart über die Seitenfläche ihres rechten Beines. Am Unterschenkel, oberhalb ihres Fußes begann er, und streichelte es bis zum Knie, weiter reichte sein kurzer Arm nicht. Er rückte weiter nach links, zu ihr hin. Dann glitt sein Arm weiter nach oben über ihren Oberschenkel. Danach streichelte er die untere Seitenfläche ihres Beines, bis nach oben hin zu ihrer Vagina. Als er sanft ihre Vagina berührte, zuckte sie zusammen, es war ein Reflex ihres Körpers. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu bewegen, sonst hätte sie ihn zur Seite gestoßen. „Lass das, bitte! Ich möchte schlafen.“
Ihre Abweisung konnte er nicht nachvollziehen. Sie waren doch von nun an verlobt und würden irgendwann heiraten. Körperliche Zärtlichkeiten waren unter Liebenden und Verlobten nichts Unangemessenes, dachte er. Resigniert und enttäuscht hüpfte er zurück auf seinen Platz. Meridschan hielt die ganze Zeit über ihre Augen geschlossen. Matthias' urplötzlicher Sexualdrang hatte sie überrascht. Sie fragte sich, ob er denn noch Jungfrau sei. Wohl nicht, sonst hätte er sie doch nicht an ihrer Vagina berührt und offensichtlich im nächsten Moment den Liebesakt mit ihr vollzogen. In dieser Hinsicht war er also nicht anders als Ali, obgleich sie sich das nicht wirklich vorstellen konnte. Dann fragte sie sich, ob nicht vielleicht alle
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