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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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mit Nurdschans Tee rührte er nicht an. Der Imam aber nippte an seinem Becher und reckte seinen Körper. Die Knochen seiner Glieder knackten.
    „Hochwürden, ist es nach islamischem Recht einem Mann nicht erlaubt, eine Christin zur Frau zu nehmen, ohne dass er aus der Gemeinde ausgestoßen wird?“
    Musa setzte sich wieder aufrecht hin und verzog seine Miene. „Ja, das ist möglich nach unserem Gesetz. Doch, bedenkt, er würde nicht als Ketzer verurteilt werden, aber dennoch müsste er dann gegen viele Vorurteile unserer Gemeindemitglieder bestehen. Das wollt Ihr doch nicht Eurem Sohn antun, oder? Ohnehin, Ihr habt doch gesagt, sie hat keine Verwandten mehr. Was bringt es ihr denn, wenn sie Christin bleiben würde? Nein, macht sie zur Muslimin. Ich werde Euch am Nachmittag besuchen kommen.“
    „Ihr ehrt uns, Hochwürden.“
    Musa hatte ein Machtwort gesprochen und er gedachte nun, seinen Willen durchzusetzen. Natürlich würde er niemals einen Muslim mit einer Christin verheiraten. Entführte christliche Frauen wurden seit jeher zwangsislamisiert. Würde er etwas an dieser Tradition ändern, wäre er kein guter Imam und Mufti, dachte er.
    Mahmud verließ das Haus des Imam mit einem Felsbrocken auf seinem Herzen. Dieser Felsbrocken war einfach zu schwer, um ihn wegwälzen zu können, wusste er. Nun bereute er es, dem Imam überhaupt von Maria erzählt zu haben. Er ärgerte sich, warum er den islamischen Geistlichen nicht richtig einzuschätzen gewusst habe. Jener hatte nur im Sinn, seine Gemeinde zu vergrößern.
    Auch wenn er der Erste gewesen war, welcher Ali den Vorschlag der Konversion Marias zum Islam gemacht hatte, so war er doch gegen diesen Schritt. Er wollte auf gar keinen Fall Maria zum Übertritt zu seiner Religion zwingen. Umgekehrt hätte Isa das nicht von seinem Sohn verlangt, dessen war er sich ganz sicher.
    Derweil spielte sich im Hause des Imam eine groteske Szene ab.
    Gleich nachdem Mahmud hinter seiner Haustür verschwand und er sie geschlossen hatte, war er in sein Schlafzimmer geeilt. Er bückte sich vor zu der Matte, hob sie hoch und warf sie zur Seite. Dort waren die prächtigen Ikonen. Drei Stück an der Zahl. Er nahm die obere in die Hände, hielt sie erst hoch, begutachtete sie, schaute, ob nicht Blut der Ermordeten auf sie getropft sei. Auf dieser Ikone war ein byzantinisches Porträt Jesu Christi. In seiner linken Hand hielt Christus das goldene Evangelium und mit seiner rechten Hand zeigte er drei Finger, das Zeichen der Dreifaltigkeit Gottes.
    Musa beugte sich vor und küsste das Bild. Er war nicht gläubig geworden, sondern er küsste das Bild, sein Eigentum, sein unbezahlbares Eigentum. Für diese Bilder würden ihm europäische Händler ein Vermögen zahlen.
    Nurdschan lachte laut. Sie stand am Eingang. Musa zuckte ängstlich zusammen, er hatte sie nicht gesehen. Er drehte sich zu ihr um und schaute sie fragend an. Sie lachte weiter. Er legte den Kunstschatz wieder zurück und legte die Matte darauf. Darauf schaute er wieder Nurdschan an. Sie grinste. Dann verzog sie ihr Gesicht. „Es ist wirklich so. Man glaubt einen Menschen zu kennen, weil man ihn schon sein Leben lang kennt. Aber dann erkennt man, dass man ihn doch nie wirklich gekannt hat. Die ganze Zeit war ich mit einem Scheusal verheiratet. Ich habe mir mein Leben lang selbst etwas vorgemacht. Doch alles war nur Trug, die reinste Lüge! Die Ehe mit dir war die reinste Zeitverschwendung. Ich werde dich verlassen.“
    Erst starrte er sie ungläubig an, dann lachte er selbst. „Was redest du da für einen Unsinn? Wo willst du denn hingehen? Rede nicht solch einen Unsinn! Wir haben gestern viel durchgemacht. Wir sind alle im Stress. Du musst dich mehr ausruhen.“
    Sie guckte ihn immer noch grimmig an. Er schüttelte den Kopf und betonte noch einmal, sie würden beide in einem Boot sitzen. Sie könne ihn nicht verlassen. Nurdschan verstand seine Worte, sie stimmte ihm schweigend zu. Sie war alt geworden, ihr Leben neigte sich dem Ende zu. Doch was hatte ihr Leben noch für einen Sinn an der Seite dieses Mannes, fragte sie sich. Sie hasste ihn nur noch.
    Musa schwitzte stark. Wenn er Tee trank, erhitzte sich sein Körper und er schwitzte. Er machte einen Bogen um die Matte seiner Frau zu seiner und griff unter das Ende auf der linken Seite, genau gegenüber der Zimmertür. Er schnüffelte an dem Parfüm und sagte mit einem Lächeln, er liebe diesen Geruch.
    Nurdschan dachte über ihre Misere nach. Sie suchte nach einem Grund

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