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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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suchen. Wenn es aber dort nichts vorzufinden gäbe, müsste sie nach dem Vieh Ausschau halten und sie würden es schlachten müssen. Sie würde dabei die Hilfe der anderen Kurden ersuchen. Sie schwieg wieder und dachte nun an Ali und seine Familie. In seinem Haus befand sich doch auch eine der Flüchtlinge. Seine Eltern schützten sie wohl. Wenn sie Maria bereitwillig verstecken würden, dann würden sie wohl auch sie unterstützen. Doch dann trübte jene Tatsache ihre Vorfreude. Sie konnte doch nicht den anderen Muslimen im Dorf erzählen, sie würde einen aramäischen Mann in ihrem Haus verstecken. Auch wenn die Umstände zurzeit schwierig waren, würden ihre Landsleute bestimmt Verdacht schöpfen und sie verurteilen.
    Nur ihrer Freundin Madschida würde sie noch vertrauen können. Sie hatte ihre zierliche kleine Freundin seit einigen Tagen nicht gesehen. Offensichtlich war sie krank und ging nicht aus dem Haus. Oder ihr Vater wusste, woher auch immer, von dem Sturm der muslimischen Armee auf Kafro und hatte sie gewarnt, das Haus zu verlassen.
    Gleich danach, nachdem sie ihren Tee ausgetrunken hatte, brach sie auf, um ihre Besorgungen zu machen. Dies war ein ziemlich guter Vorwand, um sich Eintritt in Alis Haus zu beschaffen. Mahmud jedoch blieb sehr vorsichtig. Zwar kannte er Meridschan gut und hielt sie für vertrauenswürdig, dennoch ließ er sie nicht in sein Haus. Er sagte zu ihr, sie hätten noch genug Rindfleisch. Später würde er zu ihr in ihr Haus kommen, um es ihr zu geben. Dann bat er sie, zu gehen. Er hatte Angst, Meridschan würde Maria im Haus sehen. Sie ihrerseits hätte ihm sagen können, sie wisse schon von Marias Versteck in seinem Haus, doch dann hätte Mahmud wohl zu viele Fragen gestellt. Also bedankte sie sich bei ihm und schlenderte zum Gehweg zurück und dann in Richtung des Hauses von Madschida.
    Sie klopfte an und erst nach ihrem dritten Anklopfen öffnete sich die Tür. Der Kopf von ihrem Vater ragte heraus und sie erschrak. Er war fast so schwarz wie ein Afrikaner. Er starrte Meridschan nur sprachlos an. Madschida bat ihren Vater, ihr Platz zu machen. Er trat zur Seite. Die junge Frau schaute beschämt vor sich hin. Sie hielt ihren rechten Arm hinter ihrem Rücken, sie verbarg eine Wunde. Meridschan schaute sie erschrocken an. Sie verstand, ihr Vater hatte sie in den letzten Tagen misshandelt. Irgendeinen Fehler hatte sie also gemacht, für den sie bezahlen musste. Schon einmal wurde Madschida von ihrem Vater verprügelt und mehrere Wochen lang nicht aus dem Haus gelassen. Ihr Vater hatte, woher auch immer, von ihrer Affäre mit dem jungen Aramäer Gabriel erfahren. Die Ehre der Familie war für immer befleckt.
    „Ich sehe, du bist wohlauf. Das freut mich.“
    Meridschan senkte nun ebenfalls ihr Haupt. „Ja. Doch sie haben meinen Bruder umgebracht.“
    „Das ist furchtbar! Ich komme zu dir, sobald ich kann.“
    Madschidas Stimme war gedämpft und zittrig. Meridschan konnte ihre harte Situation nachvollziehen. Innerlich hoffte sie, ihre Freundin würde schon bald diese Bestrafung überstehen.
    Meridschan ging wieder zurück in ihr Haus. Sie wies Matthias an, sich in der Küche zu verstecken, wenn Mahmud an der Tür des Hauses stehen würde. Auf keinen Fall dürfte er ihn hier in ihrem Haus sehen. Danach setzte sie sich ins Wohnzimmer auf ihre Matte hin. Matthias saß gegenüber von ihr. Sie schaute ihn nicht mehr an, als wäre er ihr gleichgültig. Nach einigen Augenblicken weinte sie. Die Tränen waren deutlich in ihren Augen zu sehen. Der junge Mann schaute sie mitleidsvoll an. „Was ist los?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich muss an Raschid denken. Er war ein guter Mensch. Sie haben ihn umgebracht. Sie haben ihn einfach so umgebracht. Ich werde ihn nie wieder sehen.“
    In diesem Moment hätten andere kurdische Frauen ein Klagelied gesungen. Doch Meridschan kannte keins. Auch wenn sie eines gekannt hätte, hätte sie es wegen Matthias' Anwesenheit nicht rezitiert.
    Nach einer Stunde klopfte endlich Mahmud draußen an die Haustür. Matthias eilte in die Küche. Meridschan öffnete Alis Vater die Tür und machte ihm Platz, um hereinzutreten. Er überreichte ihr einen fünf Kilogramm schweren Sack, in dem sich das Rindfleisch befand, danach schaute er sich im Nebenraum und im Wohnzimmer um. Die junge Frau beeilte sich, sie schaffte den Sack in die Küche und eilte dann zurück zu Mahmud, denn sie befürchtete, er würde zu sehr herumschnüffeln und vielleicht Verdacht

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