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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Küche, nahm den Eimer, schüttete sich den Becher voll und trank vom reinen und erfrischenden Wasser des Brunnens. Nach zwei vollen Bechern war ihr Durst gelöscht, doch nicht der ihres Geistes. Also rannte sie gleich danach wieder aus dem Haus heraus.
    An genau demselben Platz wartete sie eine weitere Stunde auf das Objekt ihres Verlangens. Dann endlich tauchte er auf. Da stand er, fünfzig Meter vor ihr, auf dem Gehweg. Sie rannte los. In seiner linken Hand hielt er einen Eimer. Er schritt nordwärts, er hatte sie nicht gesehen. Als sie ihn dann einholte und links vor ihm stand, hielt er inne. Er ermahnte sie, hier könnte sie doch jemand sehen, sie sei wohl nicht klar bei Sinnen. Sie antwortete ihm, ihr sei gleichgültig, was die anderen Dorfbewohner über sie denken würden, sie wolle mit ihm reden. Er wies sie ab. Doch sie folgte ihm den ganzen Weg lang bis zum Brunnen. Er beachtete sie nicht und hoffte, sie würde von sich aus nachgeben und ihn in Ruhe lassen. Doch dieser Fall trat nicht ein. Permanent redete sie auf ihn ein, fragte ihn, warum er Maria gerettet habe, ob er sie denn liebe und was seine Eltern über sie denken würden. Ihre Fragerei nervte ihn.
    Er hatte den Eimer in den Brunnen geworfen und zog ihn mit dem Seil wieder hoch. Zu ihrem Glück hatten die Türken den Brunnen nicht vergiftet, wie sie es für gewöhnlich beim Überfall anderer Dörfer und Städte taten. Als er den Eimer wieder gefasst und auf den Boden neben sich gelegt hatte, seufzte er und schaute sie streng an. „Ja, so ist es, ich liebe sie. Ich liebe nur sie! Und wir werden bald heiraten. Meine Eltern mögen sie und sind mit der Heirat einverstanden.“
    Diese für sie schlechte Neuigkeit deprimierte sie. Sie hielt sich ihren linken Arm vor dem Mund. Tränen quollen aus ihren Augen. Ali bemerkte dies, doch dachte er, es sei besser, wenn er sich wortlos zurückziehen und sie allein in ihrer Trauer zurücklassen würde.
    Er war sich der großen Gefahr bewusst, doch war die Neugier in ihm so groß geworden, er konnte sich einfach nicht mehr zwingen, in dem Haus zu bleiben und abzuwarten. Sie hatte ein Geheimnis, etwas, was sie vor ihm verbarg, etwas, von dem sie ihm nicht erzählte, das dachte er. So schlich er sich aus dem Haus heraus. Er hielt sich mit dem Rücken an die Wände des Hauses. Geduckt schaute er auf, er sah und hörte niemand. Auf den Gehweg konnte er nicht gehen, da wäre er zu auffällig gewesen, also hielt er sich im Westen des Dorfes, hinter den Häusern. Er schlich sich von einem Haus zum nächsten in Richtung Norden. Hätte ein Hausinsasse aus dem Fenster geschaut, er hätte ihn nicht gesehen, denn er war zu klein und er stand direkt neben der Wand unterhalb des Fensters. Zwischen den Häusern schaute er nach Osten, in Richtung der anderen Häuser in der Reihe. Immer noch sah er keinen einzigen Menschen vor den Häusern. Bald hatte er das andere Ende des Dorfes erreicht, als er dann Meridschan am Brunnen, genau auf der anderen Seite des Dorfes, erblickte. Zu seinem Entsetzen erblickte er einen Mann an ihrer Seite. Er konnte akustisch nicht verstehen, was sie sprachen. Erst hob Meridschan den Zeigefinger ihrer rechten Hand in die Luft. Sie redete auf ihn ein und ermahnte ihn wohl, wie der Aramäer verstand. Dann aber hielt sie inne, als er zu ihr sprach und hielt sich dann ihren rechten Arm vor ihrem Gesicht. Sie weinte also.
    Dann drehte sich der Mann um, er kam geradewegs auf Matthias zu. Der Kleinwüchsige erschrak und trat zurück, vor das Haus. Für einen kurzen Moment hatte er Ali gesehen. Er war jung und physisch gut gebaut. Eine schlimme Vorahnung plagte ihn. Sein Herz glühte. Es schlug immer schneller. Sein Atmen wurde schwerer. So eifersüchtig war er seit Danielas Abgang zu ihrer Hochzeit nicht gewesen.
    Dann aber kam er wieder zu sich. Der Überfall der Türken war zwar schon zwei Tage her gewesen, doch befand er sich de facto immer noch auf unsicherem und quasi feindlichem Territorium. So schlich er sich genauso geschickt wie zuvor den Weg entlang zurück, auf dem er gekommen war. Unversehrt betrat er Meridschans Haus. Doch konnte er sich über sein Wohl nicht freuen. Offenbar hatte seine Verehrte einen anderen Mann. Wieder schritt er das Nebenzimmer bis zum Wohnzimmer auf und ab. Er kochte vor Wut. Niemand sonst außer ihm sollte Meridschan besitzen. Zwar war er schon wütend auf sie, doch hasste er nur ihren Geliebten und dachte darüber nach, wie er ihn aus der Welt schaffen konnte.
    Immer noch

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