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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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war sie nicht zurückgekommen. Nach einer halben Stunde hatte er sich allmählich beruhigt. Er besann sich wieder. Offensichtlich hatte er mit Meridschan die falsche Wahl getroffen. Wäre er doch bei Soraja geblieben. Jedoch konnte er sie nicht hassen. Nein, er liebte sie immer noch. Er begehrte sie jetzt nur noch mehr.
    Dort saß er nun auf seiner Matte im Wohnzimmer und wartete auf sie.
    Als sie hereinkam, sah er die Depression in ihren Augen. Sie dachte über irgendetwas nach. Nun hatte sie Falten im Gesicht, von unterhalb ihrer Wangen bis hinauf zu ihren Augenhöhlen. Sie war um viele Jahre gealtert. Sie sah wie eine wandelnde Leiche aus. Matthias schaute sie nur mitleidsvoll an. Es wäre nicht richtig gewesen, die Frau jetzt in einen Streit zu ziehen oder sie mit dem Verdacht einer Affäre zu konfrontieren. Also gesellte er sich zu ihr und strich mit der Oberfläche seiner rechten Hand die Wange ihrer linken Gesichtshälfte.  Sie umklammerte ihn mit ihren Armen und drückte ihn fest an sich. Er hatte das Gefühl, sie behandle ihn wie eine Mutter ihren Sohn. Dieser Moment war zu schön, um ihn durch irgendwelche Worte, Fragen oder sonstige Phrasen zu zerstören.
    Eine Stunde lang blieben sie so dort liegen.
    Schließlich raffte sich Matthias auf, denn er musste endlich das Schweigen brechen und er wollte unbedingt wissen, wer dieser Mann war. „Hast du irgendjemanden gesehen?“
    Sie strich mit ihrer linken Hand über seine Haare. Auch nach dieser bedrängenden Frage fuhr sie fort, dies zu tun. „Ich habe nur den Imam draußen gesehen. Das Dorf ist wie ausgestorben.“
    „Nur der Imam traut sich noch nach draußen?“
    „ Ja, so scheint es. Wir wissen nicht, ob sie wiederkommen. Es ist für uns alle besser, wenn wir zuhause bleiben.“
    „ Bleib du bitte auch hier. Geh nicht mehr raus.“
    „ In Ordnung. Ich gehe nur noch raus, wenn ich uns etwas zum Essen und zum Trinken besorgen muss.“
    Der Mann merkte schon, sie verheimlichte ihm Einiges. Den jungen Mann hatte sie nämlich nicht erwähnt. Vielleicht wollte sie ihn nicht erwähnen, weil er ihr von irgendeiner schrecklichen Neuigkeit berichtet hatte, dachte er. Er hatte sich inzwischen wieder beruhigt und dachte nicht mehr an den fremden vermeintlichen Liebhaber seiner Freundin.
    Nach einer Stunde, zu so später Stunde noch, klopfte es plötzlich noch einmal an der Haustür. Meridschan erhob sich rasch und flehte Matthias, sich zu beeilen und in die Küche zu gehen.
    Ihre Freundin Madschida stand vor der Tür. Sie trat ein. Immer noch schaute sie deprimiert drein. „Er hat mich gehen lassen.“
    Sie ging durch das Haus und erblickte gleich sofort in der Küche den Aramäer. Ihr Gesicht zeigte keinen emotionalen oder abstoßenden Ausdruck an.
    Meridschan schaute zur Seite, während sie sprach: „Nur wenige haben überlebt. Weiß Gott, was mit den anderen geschehen ist.“
    Madschida nickte und schritt darauf zum Wohnzimmer. „Leider können wir unser Schicksal nicht selbst bestimmen.“
    „ Madschida, ich sehe, dir geht es nicht gut. Wenn du willst, kannst du hier bleiben.“
    Sie schüttelte hastig den Kopf. „Nein, ich werde nach Hause gehen.“
    Immer noch deprimiert drein blickend ging sie zur Haustür. Meridschan schaute sie mitleidsvoll an. Als sie in der Tür stand, drehte sie sich noch einmal um. „Sag ihm, er darf nicht aus dem Haus herausgehen. Nicht bevor all dieser Wahnsinn beendet worden ist.“
    Meridschan umarmte ihre Freundin. Die beiden Frauen weinten. Sie weinten, als hätten sie geahnt, dies sei ihr letzter Abschied. Draußen dämmerte es schon. Madschida verließ weinend das Haus. Meridschan schaute ihr noch hinterher, schloss dann aber nach einem kurzen Augenblick sofort die Tür. Dann fiel sie zu Boden. Matthias kam zu ihr und tröstete sie. Sie beruhigte sich und sie gingen zusammen zum Wohnzimmer zu ihren Matten und legten sich hin.
    Matthias konnte in jener Nacht nicht ruhig schlafen. Er hatte einen schlimmen Traum. Er kam vom Hügel herab ins Tal. Unten angekommen, schaute er sich um, doch kein Mensch war zu sehen. Verzweifelt lief er in Richtung Osten, doch auch dort war niemand zu sehen. Vor ihm erstreckte sich das weite wüste Tal. Diese trockene Ebene flößte ihm Angst ein. Sengend heiß war die Sonne und ein Mensch wäre normalerweise durstig, er aber in diesem Traum nicht. Im Osten lag ein Hügel, dorthin lief er. Die Sträucher entlang des Hangs waren größer als üblich, sie kamen ihm bis zur Schulter. Er wühlte

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