Liebe und Völkermord
führte sie an, rechts neben ihm ritt sein Sohn. Sie galoppierten. Vor ihnen lag das weite, flache Land, welches eigentlich das Eigentum von Aziz war. Sie hielten sich auf dem Landweg, welcher durch das Ackerland führte, quer über die Vororte von Dijabakir bis zur Innenstadt. Rechts und links von ihnen erstreckten sich Weinberge. Es war dunkel, doch nicht stockdunkel, sie konnten die Straße vor ihnen sehen.
Sie hielten auf einer Anhöhe im letzten Vorort-Tal von Dijabakir inne. Uday sprang von seinem Ross herab. Er band einen Stab unterhalb seiner Feldtasche vom Pferd los, nahm ein Streichholz aus seiner Tasche und zündete das Holz an. Mit der Fackel in seiner linken Hand, nahm er die Zügel des Pferdes und führte es den steilen Weg hinab. Er schaute zurück zu seinen Gefährten. Die Aramäer blieben auf ihren Pferden sitzen und trabten einer hinter dem anderen in einer Schlange hinter ihm her.
Außer Aziz hatte jeder der Männer Kinder. Sie gaben vor dem kurdischen Fürsten vor, freiwillig in seine Dienst getreten zu sein, doch waren sie ihm keineswegs wohlgesinnt. Für sie war er immer noch ein Moslem wie alle anderen. Und sein Gerede, sie seien Brüder, glaubten sie ihm nicht. Sie waren gekommen, da die Ehre der Familie auf dem Spiel stand. Und sie wollten den Tod ihrer Väter verhindern. Ferner dachten sie natürlich an eine angemessene Belohnung durch den Scheich. Nun war der entscheidende Moment gekommen. Sie alle konzentrierten sich. Seit ihrer Ankunft in der Villa des Scheichs hatte keiner von ihnen ein Wort mit dem anderen gewechselt. Ungewiss war, was vor ihnen lag. Verrat hatte keiner von ihnen im Sinn. Nun würden sie entweder sterben, oder siegreich davongehen.
Etwa 50 Meter vom Anwesen von Jasmins Vater lag ein anderes Haus mit einem großen Grundstück. Ein Holzzaun umgab den breitflächigen Garten des Hauses. Am Rande des Grundstücks stand ein Baum mit einem Stamm von etwa zwei Ellen Breite. Sie banden ihre Pferde an diesen Baum.
Uday schlich voran, der Scheich gab vor, sein Rücken schmerze wegen des langen Ritts, so blieb er hinter Murad, dem letzten in der Schlange der Aramäer. Uday hatte genau so viel Angst wie sein Vater, ließ es sich aber nicht anmerken. Wenn es zum Gefecht kommen würde, würde er die Aramäer kämpfen und sterben lassen und er selbst fliehen, hatte er sich vorgenommen. Er war noch jung und wollte sein Leben mit seiner geliebten Jasmin genießen. Das Leben hier in der Provinz war ihm zu öde geworden, so hatte er vor, mit Jasmin ins Ausland zu gehen, ferne Länder zu bereisen, wofür sich die wunderschöne, aber naive Tochter des muslimischen Geistlichen von ihm begeistern ließ.
Uday schlich sich über den Landweg über die Holzplanke auf das Grundstück des Imams. Zehn Schritte vor ihnen stand die Scheune. 50 Schritte dahinter stand das große Haus. Hinter der Scheune saßen zwei bewaffnete Wächter, wie Uday sehr gut erkennen konnte. Er hob seine linke Hand und zeigte in die Richtung der Männer des Imams. Aziz drehte sich zu seinen Neffen um. Er zeigte auf Orhan und Murad. Musa trat vor, um seine Brüder zu begleiten, doch Aziz hielt ihn zurück. Sie schwiegen die ganze Zeit über. Orhan und Murad schlichen sich geduckt an die Kurden heran. Die Kurden waren beide jung, der eine 20, der andere 23 Jahre alt, beide noch unverheiratet und unpolitisch eingestellt. Es war bereits Mitternacht. Ihre Öllampe lag vor ihnen auf dem Boden und sie waren beide eingenickt. Sie saßen an die Außenwand der Scheune gelehnt. Die Aramäer sahen sie von ihrer rechten Seite aus. Beim Heranschleichen waren sie ausgezeichnet, kein einziges Geräusch machten sie. Rechts und links neben den kurdischen Söldnern lagen ihre Gewehre aufrecht gerichtet. Ihre Säbel befanden sich in der Scheide. Der linke von ihnen hatte ein rundes Gesicht und schnarchte laut.
Nun standen Orhan und Murad genau vor den beiden Kurden. Sie beugten sich vor, griffen langsam zu den Säbeln der Männer und zogen sie heraus. Der Schnarcher merkte die plötzliche Leichtigkeit der Scheide und öffnete seine Augen. Er blinzelte mit den Augen. Dann bemerkte er den Überfall der Aramäer und wollte schreien, doch Murad schnitt ihm mit dem Säbel die Kehle durch, Orhan tat dasselbe mit dem anderen Mann. Die beiden jungen Kurden fielen tot um. Die Aramäer wischten an den Hemden der Toten das Blut von der Klinge der Säbel ab und schlichen sich dann zurück zu Uday und Aziz, mit den Säbeln in ihren Händen. Uday
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