Liebe und Völkermord
Wunden der Vergangenheit würden sie ihr Leben lang plagen. Und ihre Zukunft sei ungewiss.
Sie hielt das Messer mit beiden Händen, die Klinge auf ihre Brust gerichtet. Sie starrte die ganze Zeit auf die Wand der anderen Seite des Raumes. Ihr Herz schlug schneller. Sie wurde nervös. Ihre Hände zitterten. Sie riss sich zusammen. Sie presste ihre Lippen zusammen. So mutig war sie noch nie in ihrem Leben gewesen.
Mit aller Kraft ihrer Hände rammte sie das Messer in ihr Herz hinein, unterhalb ihrer linken Brust. Sie stöhnte auf und schnappte tief nach Luft. Dann fiel sie links zur Seite um. Im nächsten Augenblick hauchte sie ihren letzten Atem aus.
Meridschan, die orientalische Schönheit, das grazile, nette Mädchen aus dem Dorfe Kafro, lebte nicht mehr.
Nach drei Tagen fragten sich die Kurden des Dorfes, wo sie bleibe. Ihre Freundin Madschida kam und klopfte an die Haustür, sie wartete eine Weile lang. Sie dachte sich, ihre Freundin sei wohl mit dem Aramäer fortgegangen.
Mahmud brach die Haustür auf und fand ihre Leiche. Sie war halb verwest. Der Mann konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Er rief seinen Sohn herbei. Zusammen hoben sie ein Grab für sie im Garten ihres Anwesens aus. Dort beerdigten sie sie neben ihrem Bruder.
Ali machte sich Vorwürfe, er habe sie in den Selbstmord getrieben. Maria war bei der Beerdigung zugegen. Obwohl sie Meridschan nie gemocht hatte, weinte sie um sie. Ein solch tragisches Ende hatte sie sich für sie nicht gewünscht.
Einen Tag später sprach sie mit Ali. Er sagte ihr, er würde sie freigeben. Sie müsste ihn nicht heiraten. Maria hatte sich anfangs nicht freiwillig in die Obhut Alis begeben. Und die Heirat mit ihm war aus ihrer Sicht nur des Zweckes wegen. Sie wusste nicht, woran es genau lag. Ob es nun die Tatsache des Ablebens der Erzrivalin war oder da sie endlich seine emotionale und sensible Seite gesehen hatte, sie wollte ihn nun aus freien Stücken heiraten.
Uday konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er rastete aus. In der hinteren Ecke des riesigen Raumes dieser Villa seines Vaters lag eine antike römische Amphore. Sie maß zwei Ellen. Er nahm sie und warf sie gegen den Marmorboden. Sein Vater, der Scheich Fathallah, war an seine Wutausbrüche gewohnt. Zwei Hausdiener eilten herbei und sammelten die Scherben auf.
Gewiss hatte der Vater nicht im Sinn, seinen Sohn zu erzürnen oder noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Der Scheich zog an der Wasserpfeife und saß danach aufrecht. Er hob seine Arme an, um seine prächtige Robe über seine Beine zu falten. Er paffte den Rauch aus seinen Nasenlöchern aus, dann schaute er seinen umherrasenden Sohn mit ernstem Gesichtsausdruck an. „Wenn sie Nein sagen, dann sagen sie eben Nein! Was sollen wir dagegen tun?!“
„ Du bist doch einflussreich, Vater!“
„ Es ist sein gutes Recht, sein Veto gegen eure Vermählung einzulegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner unserer Brüder sich gegen ihn erheben würde.“
„ Jasmin liebt mich! Sie will mich doch auch!“
„ Ja, das weiß ich doch. Es ist aussichtslos. Was soll ich machen?“
„ Na schön, er ist also ein Ulema und behauptet, vom Kalifen Ali abzustammen. Das heißt also, wir werden mit unseren sogenannten Brüdern nicht auf unsere Seite gegen ihn ziehen können. Dann bleibt uns doch nur noch eine einzige Alternative, Vater. Wir müssen die Christen um Hilfe bitten!“
„ Bist du verrückt geworden?“
„ Ist dir etwa deine soziale Stellung wichtiger als dein Sohn?“
Der Scheich schaute ihn verärgert an. Sein Gesicht war hellrot angelaufen. „Was planst du dann zusammen mit den Christen?“
„Wir werden sie aus dem Haus ihres Vaters befreien und uns dann sofort vermählen lassen.“
„ Du bist wirklich verrückt geworden, Junge.“
„ Ich liebe sie! Und sie liebt mich!“
„ Du könntest uns mit solch einer Aktion in Verruf bringen. Was ist, wenn sich das Volk gegen uns erhebt?“
„ Du weißt doch am besten, wie der Pöbel ist. Zuerst werden sie sich aufregen, dann aber werden sie zu ihren eigenen Sorgen zurückkehren.“
Der Scheich seufzte und schüttelte den Kopf. Uday war sein einziger Sohn. Er selbst kannte die Qualen der Jugend zu gut. Selbst Allah konnte nicht einen jugendlichen Liebenden aufhalten. Hatte er selbst doch so viel Glück gehabt in seinem Leben. Er hatte sich in eine kurdische Aghas-Tochter aus Nusaybin verliebt. Obwohl ihr Vater gegen die Vermählung war, brannte Fatima mit ihm durch. Im
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