Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
Vom Netzwerk:
jetzt heraus.“
    Uday, Musa und Murad hielten ihre Gewehre auf die Tür gerichtet. Der Imam, ein alter, gebrechlicher Mann mit langem weißen Bart, kam mit seiner unverschleierten Frau aus der Kammer heraus. Die Frau weinte und hielt vor Angst ihren Kopf an die Brust ihres Mannes.
    „Scheich Fathallah, Ihr seid es! In Allahs Namen, was habt Ihr nur getan!“
    Uday stellte sich zwei Meter direkt vor ihnen hin, sein Gewehr hatte er heruntergenommen. „Wo ist Jasmin?“
    Der Imam schaute ihn grimmig an. Uday schubste die Frau zur Seite und huschte an ihnen vorbei in die Kammer hinein.
    Jasmin saß unter einem Holztisch. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid, mit einem schwarzen Schleier über ihren Haaren und ein seidenes Tuch über ihrem Gesicht. Uday beugte sich vor. Als er sie sah, frohlockte sein Herz, doch hatte er nicht bedacht, zu welch einem Preis er sie für sich gewinnen musste. Er war für den Tod von Menschen verantwortlich. Sie hatten für ihn gekämpft und waren für ihn gestorben. Ihm war es gleichgültig, ob sie Christen oder Muslime waren, er machte keinen Unterschied, genau so wie sein Vater.
    „Jasmin!“
    Das Mädchen blickte ängstlich auf. Sie erkannte seine Stimme wieder und beruhigte sich. Er riss den Schleier von ihrem Gesicht und warf ihn zur Seite. Er nahm sanft ihre rechte Hand und schaute sie mitleidsvoll an. Sie verstand, er hatte all das nur für sie getan, weil er sie wirklich liebte. So folgte sie ihrem Geliebten. Hand in Hand geleitete er sie hinaus, über den Gang und dann die Treppen hinunter. Jasmin sah den toten Jungen auf der unteren Treppe und vergoss eine Träne. Sie schwieg die ganze Zeit, da sie sich schämte, und sie hielt sich zurück, denn die Aramäer waren Fremde für sie. Sie war eine sanftmütige Frau. Unter anderen Umständen hätte sie den verwundeten Aziz gepflegt. Doch nun konnte sie nur über ihre

 
    ungewisse Zukunft nachdenken.
    Der Imam schwieg die ganze Zeit zur Überraschung des Scheichs. Musa und Murad trugen Aziz. Die beiden toten Aramäer, Orhan und Josef, wurden von ihnen zu den Pferden getragen. Der Scheich ermahnte den Imam, niemand die Wahrheit über die Ereignisse dieser Nacht zu erzählen. Er selbst habe zwei tote Söldner und mehrere Schwerverletzte zu beklagen, während auf seiner Seite ebenfalls zwei Tote und mehrere Schwerverletzte seien. Der Imam sollte von Racheaktionen und anderen Unternehmungen ablassen. Seine Tochter würde nun seinem Sohn gehören. Uday würde sich noch in dieser Nacht mit ihr vermählen. Sie würde nun unter dem Schutz seines Hauses stehen.
    Der Imam sann zuerst tatsächlich nach Rache, doch kam er schnell zur Vernunft. Seine Tochter war nun in der Obhut des Scheichs. Jede Unternehmung wäre zu gefährlich für sie und ihn selbst gewesen. Er ließ daher die beiden toten Söldner heimlich begraben, die Schwerverletzten in seinem Haus pflegen und alle Spuren von Blut und die Kugeln in den Wänden des Hauses beseitigen und die Löcher mit Mörtel zu machen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
    Der Schatten
     
     
    Der Jüsbaschi Mustafa Ali versicherte dem Pascha, der Italiener sei ein naiver Mensch und harmlos. Auf den Pascha wirkte das Auftauchen des Bischofs aus Italien grotesk. Woher kam auf einmal dieser Geistliche her? Und er bat ihn allen Ernstes, das Leben der belagerten Aramäer zu verschonen. Er hatte sogar einen Knicks gemacht vor dem Pascha. Monsignore Ambrosiani war nicht einmal verwandt mit den Aramäern und setzte sein Leben für sie ein. Das imponierte dem Pascha. „Eminenz, Ihr habt den weiten Weg gemacht, um Euch für dieses Volk einzusetzen. Dafür genießt Ihr meinen Respekt. Euch wird nichts geschehen. Darauf habt Ihr mein Ehrenwort.“
    Darauf nahmen die beiden Soldaten, welche ihn zu Ali geführt hatten, Abstand von dem Italiener. Ambrosiani stand fünf Meter vor dem Pascha. Ali saß auf seinem Holzstuhl, unter seinem Gesäß lag ein Polster aus Schaffell. Mustafa stand links neben ihm. Sie befanden sich draußen hinter dem Zelt des Paschas. Hinter dem Europäer erstreckte sich der imposante Berg. Dieses Panorama erheiterte den Pascha. „Tretet ein in mein Zelt, und Ihr lasst uns bitte ungestört unter vier Augen reden!“
    Ambrosiani spielte das Spiel des Paschas mit und folgte dem Oberbefehlshaber der Muslime in sein Zelt. Mustafa entfernte sich.
    Ali bot dem Europäer Rotwein an. Der Bischof sah dieses Angebot als eine List an und

Weitere Kostenlose Bücher