Liebe und Völkermord
die Wahrheit, Vater. Ich bin es gewesen.“
Johannes setzte sich für Matthias ein, Matthias starrte ihn überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet.
Murad drehte sich schockiert zu seinem Sohn um. Er richtete nun seine Faust gegen Johannes. „Du verfluchter kleiner Idiot! Was redest du da? Was hast du getan?!“
Matthias atmete erleichtert aus. Er raffte sich noch einmal auf, noch einige Worte zu sagen, bevor er zur Haustür rennen wollte. „Denkt darüber nach, Herr Bürgermeister. Tut es zum Wohle des Dorfes. Und für Euren Sohn.“
Siwar war im Geiste zurückgeblieben. Zwar war sein Verstand intakt, er konnte ebenfalls konsequent denken wie die anderen Dorfbewohner, jedoch lag sein Intelligenzgrad weit unter dem der Anderen und seit seinem 15. Lebensjahr konnte er nichts mehr hinzulernen. Jedes Mal, wenn er sprach, konnte das ganze Dorf ihn hören.
Maria, seine Mutter, empfand für ihn mehr Gefühle als für ihren kleinwüchsigen Sohn Matthias. Er fügte sich stets ihrem Willen, aufbrausend ihr gegenüber war er zu keiner Zeit gewesen.
„Sie schläft noch. Geh lieber nicht hinein!“
Es war wohl doch der falsche Zeitpunkt, zu seiner Mutter zu gehen. Oder etwa doch nicht? Matthias schaute deprimiert drein. Siwar legte seine rechte Hand auf Matthias' linke Schulter. „Dich trifft keine Schuld, Matthias. Du hast nicht Schuld.“
„Danke, Siwar. Aber es war meine Schuld. Wäre ich nicht herumgestrichen, wäre es nicht zu dieser Tragödie gekommen.“
„ Dieser Moslem hat unseren Gabriel umgebracht. Nicht du.“
„ Warum musste es gerade Gabriel treffen? Das werde ich mir nie verzeihen können. Ich war für ihn ein Vorbild, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Wir stritten uns zwar ab und zu, aber wir mochten einander. Alles kommt mir vor wie ein Albtraum. Es ist ein Albtraum.“
„ Was willst du hier?“, sprach Maria mit gedämpfter Stimme.
Sie stammte aus der Großfamilie des Malke. In jungen Jahren ist sie ungestüm gewesen. In ihrer Gegenwart wagte es keine ihrer Genossinnen ihr zu widersprechen. Sie war humorvoll. Besonders amüsierte sie sich über das andere Geschlecht. Männer waren ihrer Ansicht nach primitive Wesen. Wesen, welche nur ihren eigenen Stolz kannten. Und sie seien leicht manipulierbar, hatte sie damals gedacht.
Eines Tages verliebte sie sich in einen Mann namens Fuad. Fuad jedoch war von Natur aus rau beschaffen. Ein Mann mit Ehrgeiz und Intelligenz, jedoch ohne zartes Gemüt.
Als Isa aus der Sippe des Isa zu ihrem Vater Musa kam, um um ihre Hand anzuhalten, wies Musa ihn ab. Isa jedoch hatte sich in Maria vernarrt und drohte eines Tages damit, sich vom Turo d'Schahin in die Tiefe zu stürzen, wenn ihr Vater ihm nicht ihre Hand geben würde. Isa war athletisch und passte vom Alter und Charakter her zu Maria. Sie war so geschmeichelt von Isas Werben um sie, jedoch hatte sie sich nicht in ihn verliebt. Die Liebe kam mit der Zeit.
Sie wurde reifer und mit den Jahren verlor sie ihren Hang zum Humor. Als sich Matthias' Kleinwuchs herausstellte, dachte sie, sie hätte mit der Heirat von Isa den größten Fehler ihres Lebens gemacht. Sie müsse viele Sünden begangen haben, weswegen Gott sie so hart bestrafe, dachte sie damals. Siwar war für sie schon eine Lektion und nun auch noch Matthias. Sie glaubte, Buße tun zu müssen und wurde ab da an eine sehr fromme Frau. Ihre Ungestümtheit blieb jedoch an ihr haften. Sie empfand keine Scham, in Anwesenheit ihrer Eltern und anderer Verwandter schlecht über ihre Kinder zu reden. Ihre Mutter Sitto ermahnte sie stets, nicht so über ihre Enkelkinder zu reden, jeder Mensch sei ein Geschenk Gottes. Maria jedoch konnte dem sozialen Druck nicht Widerstand leisten. Die Dorfbewohner und vor allem ihre ehemaligen Genossinnen beachteten Matthias nicht. Manche zählten ihn nicht zu Marias Söhnen.
Nun war ihr Lieblingssohn Gabriel ermordet worden. Der Sohn, welchem sie den Namen des heiligen Bischofs Gabriel gegeben hatte, nach dem das Sankt Gabriel-Kloster benannt worden war. Die Mönche des Klosters hatten sie gesegnet und sie versprach, wenn sie noch einen Sohn bekommen würde, würde sie ihm all ihre Liebe schenken, und sie würde ihn, dies sei ihr Wille gewesen, als Erwachsenen dem Kloster übergeben. Gabriel wäre ein Mönch, vielleicht sogar der nächste Abt des berühmten Sankt Gabriel-Klosters geworden, oder vielleicht sogar ein Bischof.
„Mutter, bitte lass ihn wieder herein.“
„ Er soll sofort verschwinden! Ich will
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