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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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waren sie für die meisten Kurden, welche zum Großteil Muslime waren, quasi Ausgestoßene. Die Aramäer vertrauten ihnen nie wirklich und die Türken ebenso wenig.
    Der Bürgermeister war ein stämmiger Mann von 61 Jahren. Sein Name war Rosch. Trotz seines hohen Alters ging er immer noch aufrecht und arbeitete von früh morgens bis zum Sonnenuntergang. Er lächelte die ganze Zeit über Matthias an. Seine beiden Zähne neben den Schneidezähnen waren golden. Er freute sich, den kleinen Mann zu sehen. Als Saffar ihm sagte, er sei Christ, war er schon enttäuscht. Doch er lächelte trotzdem weiter, auch wenn Matthias niemals sein Schwiegersohn werden würde können.
    Dann endlich sprachen sie über die Notlage der Aramäer von Iwardo. Rosch lächelte dann nicht mehr und verzog seine Miene. Er drückte Matthias sein Beileid aus. Er sagte ihm die volle Unterstützung seines Dorfes zu. Matthias lächelte ihn an, Saffar freute sich ebenfalls.
    Rosch lächelte nun auch wieder. „Wir haben Glück. Ein wichtiger Mann befindet sich hier in unserem Dorf. Er suchte hier bei uns Unterschlupf. Niemand darf erfahren, dass er hier ist.“
    Saffar beugte sich zu Matthias vor und sprach in sein Ohr: „Sarochano, der Sohn des Aghas Tschalabi.“
    Matthias freute sich über diese Überraschung. Er lief zurück zu Isa und seinen Neffen und kam mit ihnen wieder zurück.
    Saffar und Rosch führten sie zu Sarochano.
     
    Sie dachte über ihr Leben nach. Sie war jetzt 21 Jahre alt geworden und schon eine reife Frau. Ihr Leben war anders verlaufen, als sie es gewollt hatte. Nun waren die Jahre um und die Wunden der Vergangenheit saßen tief in ihrer Seele. Hatte sie etwa zu viel vom Leben erhofft? Hatte sie als Frau überhaupt das Recht, so viel zu verlangen?
    Jetzt, da sie kurz vor dem Tode stand, widersprach sie dieser Ansicht. Sie hatte sehr wohl das Recht, ihr Leben so zu leben, wie sie es wollte. Niemand mehr, nicht ihre Eltern noch ihre Bekannten würden sie von ihrer Entscheidung abhalten. Sie hatte damals einen großen Fehler gemacht. Nun wollte sie ihn korrigieren.
    Sie saß da in der Ecke, auf dem kargen Boden. Es war stickig in dem Raum. Um sie herum saßen ihr bekannte und unbekannte Frauen. Manche von ihnen trugen ihre Säuglinge auf ihren Armen.
    Sie war dürr geworden, sie hatte seit drei Tagen nichts mehr gegessen. Sie stand kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Vor ihr bewegten sich die Menschen wie vor einem weißen Schleier. Sie hörte sie schreien, rufen, weinen, stöhnen, keuchen und klagen wie in einem Alptraum.
    Sie wünschte sich, ihre Augen zu schließen und nie wieder öffnen zu müssen. Einfach einschlafen und nie wieder aufwachen, diese Erlösung wünschte sie sich.
    Ihr Kopf taumelte hin und her. Ihre Augenlider waren ihr zu schwer geworden, sie konnte sie kaum noch öffnen.
    Dann hörte sie plötzlich eine ihr bekannte Männerstimme. Diese dunkle Stimme war ihr schon seit ihren Kindestagen vertraut.
    Sie öffnete ihre Augen. Matthias stand vor ihr. Er hielt in seinen Händen ein Laib Brot. Er teilte es mit seinen Händen und gab ihr eine Scheibe. Mehrere Frauen kamen zu ihm und baten ihn, ihnen ein Stück vom Brot zu geben. Er sagte zu ihnen, sie hätten genug im Vorrat, sie sollten zum Korridor, zum Abt Juhanun Isa, gehen und ihn um Brot bitten, er würde ihnen etwas davon geben.
    Daniela freute sich, ihren alten Freund wiederzusehen. Als ihre Eltern sie Isa aus dem Dorf Sederi zur Ehefrau gaben, dachte sie, sie würde ihn nie wiedersehen. Nun hatte Gott ihnen doch noch eine Gelegenheit gegeben, als Mann und Frau zusammenzukommen, dachte sie.
    Er nahm einen kleinen Brocken vom Brot und führte es in ihren Mund ein. Sie aß langsam und kam wieder zu sich. Er setzte sich zu ihrer rechten Seite hin.
    Sie schwiegen, sie schauten sich nur gegenseitig an. All die Erinnerungen kamen wieder in ihnen hoch.
    „ Wie war dein Leben im Sederi?“
    „ Ich habe dich sehr vermisst. Jeden Tag habe ich mir gewünscht, wieder zurück nach Badibe gehen zu können.“
    Da sah es Matthias in ihrem Gesicht, sie war immer noch die Frau von damals, sie liebte ihn immer noch.
    „Wie war dein Leben in den letzten Jahren?“
    „ Ich habe in den letzten Wochen so viel erlebt wie in den letzten Jahren zusammengenommen nicht.“
    Sie nickte und schaute dann deprimiert auf den Boden. „Hast du geheiratet?“
    „Nein. Ich habe mich nicht in eine andere Frau verliebt.“
    Sie war keine Jungfrau mehr, sie war eine Witwe. Jedoch, was blieb

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