Liebe und Völkermord
weiter voran. Sie kamen bis zum Brunnen. Matthias warf sich zu Boden. Die aramäischen Krieger auf der anderen Seite wurden immer mehr. Drei von ihnen fielen schwerverletzt zu Boden. An ihre Stelle traten drei andere Männer, sie nahmen die Gewehre der Verletzten und feuerten weiter auf die heranrückenden Moslems. Sie standen sich nur noch etwa 10 Meter gegenüber. Matthias sah ihre Füße. Einer der Moslems fiel tot um, direkt vor sein Gesicht. In seiner linken Hand hielt er eine Fahne. Das einen Meter lange Tuch war mit grüner Farbe ganz bemalt, außer in der Mitte, wo ein gelber Halbmond gezeichnet war. Matthias nahm die Fahne und versteckte sie unter seinem Bauch.
Schließlich stoppte der Vormarsch der Moslems. Die Aramäer jubelten und rückten vor. Die Moslems zogen sich zurück. Sie ließen 18 tote Männer zurück. Auf der Seite der Aramäer waren nur zwei Männer gestorben und vier schwerverletzt.
Den Sieges- und Überlebenswillen der Aramäer konnten die Moslems nicht brechen. Als sie jubelten und an sie heran marschierten, und ihre Zahl immer größer wurde, dachten sie, sie würden von ihnen überrannt und allesamt niedergemacht werden.
Matthias stand auf und lächelte. Er freute sich für seine Landsleute. Danho, Isas Neffe, kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. Matthias überreichte ihm die Fahne der Moslems. Danho ging mit ihr in der rechten Hand zu den anderen Männern. Er gab sie an seinen Vater weiter. Isa warf sie zu Boden, spuckte und trat auf sie.
Bischof Philoxenos kam zu den Männern. Sie knieten vor ihm nieder und küssten seine rechte Hand. Er segnete sie und sagte zu ihnen, Gott und seine Engel hätten ihnen bei ihrem Kampf gegen die Heiden geholfen. Er bat Isa, ihm die Fahne zu geben. Er zog aus seinem Untergewand ein Streichholz hervor und zündete sie an. Sie flammte auf. Die Aramäer wurden still und beobachteten, wie die Flamme die Fahne verzehrte. Dann warf sie der Bischof auf den Boden. Isa und die anderen Männer jubelten und priesen Gott.
Matthias erblickte Daniela. Die jubelnden Männer machten ihr Platz. Matthias lächelte sie an, sie kam näher, doch lächelte sie nicht zurück. Er verzog seine Miene. Dann drehte er sich um und schaute zum Tor. Links vom Tor lagen zwei tote aramäische Frauen. Der Anblick erschauderte ihn. Daniela eilte an ihm vorbei und ging zu den Leichen. Er lief zu ihr. Sie beugte sich vor, warf die obere Leiche zur Seite und drehte die Tote um. Faridas Gesicht verbarg sich unter einem Meer von Blut. Daniela schrie und weinte.
Matthias hatte noch nie solch Schreckliches gesehen. Ihr Mörder hatte ihren Bauch aufgeschlitzt und die Frucht ihres Leibes gegen die Wand geschlagen. Der Embryo lag einen Meter von der toten Mutter entfernt auf dem Boden.
Daniela blieb bei ihrer Freundin. Matthias verstummte. Seine Augen blieben weit geöffnet. Er drehte sich um und ging an den immer noch jubelnden Siegern des Scharmützels vorbei zu dem Gang. Er ging zum kleinen Raum, in dem er sich zuvor mit Daniela aufgehalten hatte. Dort blieb er eine Stunde lang mitten im Raum stehen, bis sich die Tür öffnete und Daniela eintrat.
Sie schliefen. Matthias schlief zum ersten Mal richtig seit geraumer Zeit. Es war für das Paar vielmehr eine Erholung von all den Strapazen und den Kämpfen der letzten Zeit und für den Mann eine Erleichterung, da Daniela nun an seiner Seite und seine Frau geworden war.
Er schlief nur drei Stunden lang. Neben ihm lag Daniela.
Er war nüchtern. Er dachte über ihre Lage nach und die aller Aramäer innerhalb des Klosters. Nach einigen Minuten hörte er auf einmal eine dumpfe Männerstimme seinen Namen rufen. Verwirrt und neugierig stand er auf. Daniela wachte auf.
„Bleib liegen. Sie rufen mich. Ich schaue nach, was sie von mir wollen. Danach komme ich wieder zurück.“
Sie nickte. Ihr Gesicht war faltig geworden, von all dem Weinen war sie beinahe nicht mehr wiederzuerkennen.
Matthias machte die Tür hinter sich zu und ging den Gang aufwärts. Jetzt erkannte er die Stimme wieder, es war die des Abtes.
Juhanun Isa stand vor der Eingangstür des Ganges, mit dem Rücken zur Tür gewandt.
„Hier bin ich, Abuna. Was ist geschehen?“
Der Mönch schwieg und schaute nur nach vorne. Matthias folgte seinem Blick. Da saß ein junger Mann mit zerzausten Haaren und zerlumpter Kleidung. Der Mann schaute zu Matthias. Er runzelte die Stirn. „Badebojo!“
Matthias überlegte, wer der Mann war. Er schritt langsam auf ihn zu.
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