Liebe und Völkermord
müssen jetzt irgendetwas tun, Exzellenz!“
„ So viele Männer sind erkrankt? Was für eine Krankheit ist es?“
„ Das weiß niemand, Exzellenz!“
Ali stützte den Ellbogen seines rechten Armes auf der Oberfläche seiner linken Hand ab und hielt nachdenklich den Zeigefinger seiner rechten Hand vor seinem Mund. Er bewegte sich auf und ab im Zelt. Dann schaute er auf und rief Orhans Namen laut. Einer der Wächter des Zeltes eilte voraus und holte Orhan. Wenige Augenblicke später trat Orhan ein. „Hier bin ich, mein Herr.“
„Wie steht es um den Soldaten von gestern, der das Wasser des Brunnens probiert hat?“
„ Er ist krank geworden. Er hat starke Schweißausbrüche und atmet schwer.“
„ Gib Anweisung, es soll niemand mehr Wasser vom Brunnen trinken!“
Orhan verneigte sich und humpelte danach aus dem Zelt hinaus.
„Exzellenz, ich gehe jetzt zum Agha und spreche mit ihm. Einige Männer wurden von einem Schatten erschlagen, wie es heißt. Es droht, Panik im Lager auszubrechen. Ich bitte Euch, um Schlimmeres zu verhindern, gebt einfach Befehl zum Angriff auf die Festung!“
„ Ja, Ihr habt recht. Wir müssen die Männer bei Laune halten und der beste Weg scheint mir ebenfalls der zu sein, zum Angriff auf die Festung zu blasen. Ich werde den Männern den Befehl geben, sich bereit für die Schlacht zu machen. Wir werden in einer Stunden die Festung stürmen.“
Der Jüsbaschi verneigte sich vor ihm und entfernte sich darauf. Er freute sich innerlich.
Ali dachte nach. Das Wasser des Brunnens war offenbar von irgendjemandem vergiftet worden. Und die Morde an seinen fünf Söldnern waren keine Zufälle, dachte er. Für ihn standen diese beiden Vorfälle im Zusammenhang. Einer seiner Männer schloss er als Täter aus, denn er würde nicht das Wasser vergiften und damit sein eigenes Leben aufs Spiel setzen. Also konnte es nur ein Aramäer gewesen sein. Wenn der Aramäer aus dem Dorf kam, wie hatte er es dann bis zur kurdischen Siedlung unerkannt geschafft, fragte er sich. Er war sich sicher, irgendwelche Aramäer befanden sich hinter den Bergen. Die Luft wurde zunehmend erdrückender für ihn. Er atmete schwerer. Nun musste auch er um sein Leben fürchten. Das war nicht das, was er vor dem Aufbruch zum Feldzug erwartet hatte. Nun musste er es irgendwie schaffen, seine Soldaten im Unklaren über die Gefahren aus allen Seiten zu lassen und er musste den Agha beruhigen.
Zuerst ging er in das Zelt des Generalmajors. Johann stand erstarrt vor der Leiche seines Vorgesetzten. Ali konnte es in den Augen des Jungen sehen, offenbar hatten sich die beiden Männer aufrichtig gemocht. Zwischen ihm und den meisten seiner Bediensteten in seiner Villa und seinen Offizieren, wie unter anderem Orhan, gab es solch eine Beziehung nicht, wie er jetzt feststellte und bedauerte.
Er sprach Johann sein Beileid aus.
Er überlegte, ob er Johann von der Vergiftung des Wassers des Brunnens erzählen sollte. Der junge Deutsche würde sich bestimmt fragen, warum denn nicht er, der Pascha selbst, der Jüsbaschi und der Agha, von dem Wasser getrunken hätten. Stattdessen schlug er eine andere Taktik ein. „Es ist meine Schuld! Ich hätte ihn nicht auffordern sollen, an unserem Feldzug teilzunehmen. Er hat viel Schreckliches gesehen. Und offenbar hat er es nicht ertragen und zu viel von dem Stoff genommen. Man darf nicht zu viel von dem Stoff nehmen, denn dann gefährdet er die Gesundheit und sogar das Leben.“
Johann drehte sich erschrocken zum Pascha um. Er wusste, von welchem Stoff der Türke sprach, doch gab er vor, unwissend zu sein. „Von welchem Stoff sprecht Ihr, Exzellenz?“
„ Es ist ein berauschender Stoff. Er hilft, all das Übel in seinem Leben zu vergessen. Ich hätte ihm nicht so viel davon geben sollen.“
Der Pascha glaubte, den Jungen nun getäuscht zu haben und er würde nicht mehr nach der Ursache des Todes seines Herrn fragen und nicht der Sache nachgehen.
Johann verneigte sich plötzlich vor dem Pascha. Ali runzelte die Stirn.
„ Mein Herr, der Generalmajor hatte noch einen letzten Wunsch. Er teilte ihn mir mit. Ich möchte seinen letzten Willen erfüllen.“
„ Was hat er sich gewünscht?“
„ Es gibt eine Sklavin in Eurem Haus. Sie heißt Fatima. Sie sprach mit meinem Herrn und er hatte Mitleid mit ihr. Er bat mich darum, sie freizukaufen und sie mit mir nach Deutschland zu nehmen. Ich bitte Euch um Erlaubnis, dies tun zu dürfen.“
Ali war überrascht. Der Preuße hatte sich offenbar in
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